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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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zog mittlerweile eine große Kurve und entfernte sich immer weiter. Sein Motor hörte sich jetzt beinahe an wie ein Flugzeug, das vorüberzieht.
    „Das müssen Vandalen sein“, seufzte Monsieur Prunelle. „Wer so mit einem Gemälde umgeht, das von der ganzen Welt bewundert wird...“ Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Nein, das paßt nicht zusammen, das paßt überhaupt nicht zusammen...“
    Allmählich kamen jetzt die Passagiere aus den Kabinen zurück. Sie hatten sich für den Landausflug wieder einmal ihre Fotoapparate umgehängt, trugen Taschen mit Badezeug und Sonnenschirme oder Hüte.
    Von dem weißen Motorboot hatten sie eigentlich nur mitbekommen, wie es aufgetaucht war und wie es sich jetzt wieder davonmachte. Was dazwischenlag, hatte ja nicht einmal so lange gedauert wie das Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Von der Insel war jetzt schon der Hafen zu erkennen, der zwischen grünen Bergen und Hügeln wie ein großer See in einer Bucht lag.
    Juwelier Schmidt mit dt aus Düsseldorf blickte durch sein Fernglas: „Ich glaube, da kommt schon der Lotse angedampft“, bemerkte er.
    „Die Stadt soll ja besonders drollig sein“, meinte seine Frau. „Wie heißt sie doch bloß?“
    „Charlotte Amalie“, antwortete Mister Wilkinson.
    „Es gäbe dort alte Häuser mit Giebeln und Fachwerk wie in den Märchen von Andersen, stand heute in der Bordzeitung. Und gleich daneben wüchsen Bananenstauden und Kokospalmen.“ Frau Schmidt aus Düsseldorf war ein wenig stolz darauf, daß sie alles so gut auswendig gelernt hatte.
    „Das kommt davon, weil die Insel früher einmal Dänemark gehört hat“, ergänzte Mister Wilkinson höflich.
    „Und der Whisky ist zollfrei!“ Die Schlangentänzerin Lisa Liranda kicherte. Sie hatte einen leichten Mantel über dem Arm und einen Handkoffer neben sich stehen, weil sie doch in St. Thomas das Schiff wechselte.
    Auf dem Brückendeck versammelte sich jetzt die Bordkapelle.
    „Am liebsten würde ich heute direkt zum Strand gondeln und mich ins Meer legen“, verkündete Juwelier Schmidt aus Düsseldorf und nahm sein Fernglas wieder vor die Augen. Beinahe im gleichen Augenblick sagte er: „Sieh mal an.“ Dabei betrachtete er ein wenig zu auffällig das spinatgrüne Chiffontuch, das sich die Schlangentänzerin um den Hals gebunden hatte. „Ein reizender Schal“, bemerkte er jetzt. „Und was Sie darunter tragen, ist auch nicht von schlechten Eltern.“
    „Sie meinen die Kette?“ Fräulein Lisa Liranda lachte. „Ja, sie sieht ganz hübsch aus, aber sie kann nicht viel wert sein, sonst hätte Mario sie mir nicht...“ Sie unterbrach sich und blickte plötzlich zu Mister Wilkinson wie ein kleines Mädchen, das beim Abschreiben erwischt worden ist. „Sonst hätte sie mir Inspektor Brown heute morgen doch nicht geschenkt“, korrigierte sie sich und kicherte dabei wieder wie ein Backfisch.
    „Ich fürchte, ich hab’ meine Schiffskarte in der Kabine liegen lassen“, sagte jetzt der Juwelier aus Düsseldorf. „Ich bin gleich wieder zurück.“
    „Aber Hugo“, rief Frau Schmidt mit dt hinter ihm her. „Ich hab’ doch alles in meiner Handtasche.
    Aber ihr Mann hörte sie nicht, oder er tat wenigstens so, und deshalb trottete sie hinter ihm her.
    „Von wem ist die Kette?“ zischte Mister Wilkinson wütend, als er mit der Schlangentänzerin allein war.
    „Ich hab’ die Wahrheit gesagt“, antwortete das platinblonde Fräulein Liranda beleidigt. „Was ist denn überhaupt auf einmal los?“
    „Das werden wir früher merken, als uns lieb ist“, erwiderte der Streichholzfabrikant böse.
    In diesem Augenblick kletterten die Fahnen über das Schiff und in den Himmel.
    Und als jetzt auch die Bordkapelle zu spielen anfing, kam plötzlich Mrs. Fuller über das Deck. Der Bürstenhaarschnitt dirigierte den Rollstuhl direkt zu der Schlangentänzerin und Mister Wilkinson. Herr Schmidt mit dt sowie die Knaben Ulli Wagner und Peter Finkbeiner begleiteten sie wie eine Ehrenwache.
    „Ich wollte mich nur von Ihnen verabschieden“, sagte Mrs. Fuller freundlich. „Denn Sie verlassen uns ja.“
    „Furchtbar nett, daß Sie sich meinetwegen so viel Mühe machen“, flötete Fräulein Lisa Liranda. Dabei band sie ihren spinatgrünen Schal auf und ließ ihn wie eine Fahne im Fahrtwind flattern. „Es ist doch wärmer, als ich dachte“, gluckste sie.
    „Aber vor einer Minute hatten Sie doch noch stammelte der Juwelier aus Düsseldorf und starrte auf den nackten Hals der

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