Der Gelbe Nebel
bewunderten und
verehrten, sondern weil sie sich Orden und reiche Gaben erschleichen
wollten. Ich habe die Smaragdenstadt arm gemacht, habe aus ihren Mauern
und Türmen die Edelsteine herausgebrochen, und wenn ich durch die
Straßen ging, warf man mit Ziegeln nach mir. Weshalb begehrte ich nur die
Macht? Weshalb?…“
Urfin fand auf diese Frage keine Antwort. Als er auf ein paar
zusammengebundenen Baumstämmen den Großen Fluß überquerte, mußte
er daran denken, wie seine Holzarmee während des Feldzugs gegen die
Smaragdenstadt ins Wasser gefallen war.
,,Hätte der Fluß sie doch für immer fortgeschwemmt!… Das verdammte
Lebenspulver? Wozu mußte ich es entdecken! Das Pulver ist an meinem
ganzen Unglück schuld!…“
Urfin atmete auf, als er die Gelbe Backsteinstraße erreichte. Ihm war, als
hieße sie ihn willkommen und lade ihn zum Weitergehen ein. Er fühlte, wie
die Heimat näher kam, selbst die Luft schien hier frischer und angenehmer
zu duften als in der Fremde. Auch blickten ihn die sanften Käuer, denen er
begegnete, so freundlich an, als hätten sie alles vergessen und trügen ihm
nichts nach. Die kleinen blaugekleideten Menschen, die blaue Spitzhüte mit
Schellen auf dem Kopf trugen, baten den müden Wanderer oft, in ihre
blauen Häuschen hinter den blauen Zäunen einzutreten. Auf den kleinen
Tischen mit blauen Decken standen blaue Tellerchen mit schmackhaften
Gerichten, und lächelnde Hausfrauen bewirteten herzlich den hungrigen
Gast. Zwei- oder dreimal hatte Urfin in blauen Häuschen sogar
übernachtet…
Sein rauhes Herz begann aufzutauen.
„Wie ist das möglich?“ dachte Urfin reumütig. „Ich habe diesen guten
Menschen so viel Böses zugefügt, habe nur davon geträumt, sie zu
beherrschen und zu unterdrücken, sie aber haben alle meine Bosheiten
vergessen und sind jetzt so freundlich zu mir… Anscheinend habe ich doch
nicht so gelebt, wie ich hätte leben sollen…“
Urfin wagte es nicht, der schlauen und bösen Eule seine neuen Gedanken
und Gefühle mitzuteilen, denn er wußte, daß sie sie nicht billigen würde.
Eines Tages um die Mittagszeit stand er wieder in seinem Hof. Vom
abgebrannten Haus war nur ein regenfeuchter Kohlenhaufen
übriggeblieben, doch der Keller war unversehrt und das Schloß ganz. Als er
die Tür aufbrach und hineinschaute, sah er sein ganzes Werkzeug genau so
daliegen, wie er es zurückgelassen hatte. Eine Träne rann über seinen
stoppligen Bart…
,,Die braven Käuen!“ seufzte er. „Erst jetzt verstehe ich, was das für gute
Menschen sind… Oh, wie tief stehe ich in ihrer Schuld!“ Schon unterwegs
hatte Urfin beschlossen, sich möglichst weit weg von Kogida und näher zu
den Weltumspannenden Bergen anzusiedeln.
,,Die Menschen sollen meine Verbrechen vergessen“, dachte der ehemalige
Herrscher des Zauberlandes. „Das wird schneller geschehen, wenn ich
ihnen nicht beständig vor den Augen bin und möglichst weit wegziehe…“
Bevor er seinen Hof verließ, wollte Urfin von den Beeten Abschied
nehmen, die er so lange und mit so viel Liebe gepflegt hatte.
Als er auf die Wiese hinter den Gartenzaun hinaustrat, gewahrte er mit
Entsetzen ein ganzes Dickicht aus hellgrünen Pflanzen mit fleischigen
langen Blättern und dornigen Stielen.
„Da sind sie wieder!“ stöhnte Urfin.
Er hatte sich nicht getäuscht: Es war die Pflanze, aus der er vor vielen
Jahren das Lebenspulver gewonnen hatte. „Sind die Samen tief in der Erde
aus ihrem langen Schlaf erwacht?“ fragte sich Urfin. ,,Oder war es wieder
der Wind, der sie hergeweht hat?“ Er entsann sich, daß vor zwei Tagen ein
Hagelsturm tobte, vor dem er unter einem Baum mit buschiger Krone
Schutz gefunden hatte.
„Es muß wieder der Sturm gewesen sein, der uns die Bescherung gebracht
hat“, sagte Urfin, und die Eule stieß einen Freudenschrei aus.
Eine große Versuchung überkam Urfin Juice. „Da ist das Wunder“, dachte
er, von dem Guamoko gesprochen hat. „Ich werde nicht zehn Jahre darauf
warten müssen, denn es ist bereits geschehen, und ich sehe es mit meinen
Augen.“ Urfin streckte die Hand nach einer Pflanze aus, zog sie aber, von
einem Dorn gestochen, sofort wieder zurück.
„Jetzt werde ich die alten Fehler nicht wiederholen nach all den
Erfahrungen, die ich gemacht habe. Jetzt kann ich 500 … nein, 1000
kräftige Holzköpfe anfertigen, die mir gehorchen werden. Aber warum nur
Holzköpfe? Auch unverwundbare fliegende Ungeheuer will ich machen,
Weitere Kostenlose Bücher