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Der Gelbe Nebel

Der Gelbe Nebel

Titel: Der Gelbe Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Wolkow
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Stück Weg, für das
Urfin zwei Minuten brauchte, nahm bei ihnen zwanzig in Anspruch. Als er
sie so keuchen und schwitzen sah, brach Urfin in ein schallendes Gelächter
aus.
„Nein, meine Lieben, so geht es denn doch nicht! Sagt, wieviel Zeit habt
ihr für den Weg hierher gebraucht?“
„Einen Monat“, antwortete Kastaglio. „Jetzt werdet ihr ein Jahr dafür
brauchen!“ Urfin kehrte zu seinem Haus zurück, nahm die Schubkarre aus
dem Schuppen, legte die Menschlein mit den Geschenken hinein und setzte
sich in Trab. Die Zwerge strahlten vor Freude. Der Rückweg dauerte nur
drei Tage. In Erwartung Urfin Juices und Ruf Bilans beschloß Arachna,
ihre Hexenkunst zu überprüfen. Bevor sie den Kampf mit den Völkern des
Zauberlandes begann, wollte sie sich überzeugen, ob sie noch alle ihre
bösen Kräfte beisammen hatte. Der Leser hat wahrscheinlich nicht
vergessen, daß Arachna sich nach Belieben in ein Pelztier, einen Vogel
oder einen Baum verwandeln konnte…
Diese Verwandlungskunst war ihre wichtigste Waffe. Doch jetzt mußte sie
feststellen, daß sie einiges verlernt hatte. Das war für sie ein schwerer
Schlag. Wie dies geschehen konnte, sei hier erklärt: Der Zauberspruch war
sehr kompliziert und lang und zudem streng geheim, und Arachna hatte ihn
nicht aufgeschrieben, aus Furcht, er könnte Feinden in die Hände fallen.
Während ihres Schlafs hatte sie den Spruch vergessen. Darüber muß man
sich nicht wundern, denn ein Schlaf von fünftausend Jahren ist eben kein
Mittagsschläfchen, bei einem solchen Schlaf kann man sogar den eigenen
Namen vergessen. Die Zeit war vorbei, da Arachna im Kampf mit ihren
Feinden sich in ein Eichhörnchen oder einen Löwen, in eine mächtige
Eiche oder eine schnelle Schwalbe verwandeln konnte. Jetzt konnte die
Hexe nur noch auf ihren riesigen Wuchs und ihre Körperkraft rechnen.
Arachna hatte auch noch andere Zauberkünste vergessen, doch was ihr
geblieben war, reichte immerhin, um Böses zu stiften. Sie hatte es z. B.
nicht verlernt, Erdbeben, Gewitter und andere Naturkatastrophen
auszulösen.
,,Noch ist nicht alles verloren“, beruhigte sich die Hexe, als auf ihren
Befehl vom Gipfel des Berges ein Felsen herabstürzte und beim Aufprall in
tausend Stücke zerschellte. Ja, noch war die böse Arachna ein schrecklicher
Gegner, vor dem man sich in acht nehmen mußte. Mittlerweile war Urfin
mit seiner Schubkarre, in der sich die muntere Schar der Zwerge befand, in
das Tal gekommen. Die winzigen Menschlein wiesen ihm den Eingang zur
Höhle und liefen, so schnell sie konnten, zu ihren Häuschen, die in Büschen
und hinter großen Steinen verborgen lagen. Kaum hatten sie ihre Türen
erreicht, riefen sie die Kinderchen herbei, um ihnen die Geschenke des
guten Onkels Urfin zu übergeben…
Hier muß ich die Feder beiseite legen, denn mir fehlen die Worte, den Jubel
der Kinder auch nur annähernd zu beschreiben. In den Tausenden Jahren
des Bestehens dieses Stamms der Zwerge hatten ihre Kinder noch nie solch
entzückende Spielsachen gesehen. Urfin Juice betrat gemessenen Schritts
die Höhle und verbeugte sich würdevoll vor der Hexe.
„Ihr wolltet mich sprechen, was wünscht Ihr von mir?“ fragte er. Er hatte
den Zwergen versprochen, so zu tun, als wüßte er nicht, warum Arachna
ihn gerufen hatte. Er verspürte keine Angst beim Anblick der riesigen Frau
mit ihren drohend gefurchten buschigen Brauen.
„Weißt du, wer ich bin?“
„Der ehrwürdige Zwerg Kastaglio hat mir über Euch erzählt.“ „Also weißt
du, daß ich fünftausend Jahre geschlafen habe und jetzt nach Taten lechze!
Vor allem ist es meine Absicht, das Zauberland zu unterwerfen, dann werde
ich mich vielleicht auch auf die andere Seite der Berge begeben.“
Urfin schüttelte zweifelnd den Kopf mit dem angegrauten Haar. „Zweimal
versuchte ich, das Zauberland zu unterwerfen, und Ihr wißt, wie es
jedesmal endete“, sagte Urfin ruhig.
„Du vergleichst dich mit mir, elender Wurm?“ rief die Hexe verächtlich
und reckte sich, daß ihr Kopf fast an die Decke stieß.
„Mit Verlaub, Herrin“, sagte Urfin unerschrocken, „ich habe gar nicht so
unüberlegt gehandelt. Das erste Mal hatte ich eine mächtige Armee
gehorsamer Holzsoldaten, das zweite Mal ein Heer von zweitausend
kräftigen und flinken Marranen unter meinem Befehl. Und beide Male
verlor ich. Herrin, ich habe im letzten Jahr viel nachgedacht und schließlich
begriffen, daß es nicht so leicht ist, freie Völker

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