Der gelbe Tod
sich.
»Nein«, sagte sie, und ein flüchtiges Lächeln überflog ihr bleiches Gesicht. »Ich werde Ihre Entschuldigung nicht annehmen, Monsieur, aber ich muß Ihnen beweisen, daß Sie sich irren, und das wird meine Genugtuung sein. Schauen Sie, da kommen Hastur und Raoul.«
Zwei Männer tauchten aus dem Zwielicht auf. Der eine hatte einen Sack über die Schulter geworfen, der andere trug einen Reif vor sich her, wie ein Kellner ein Tablett. Der Reifen war mit Riemen an seinen Schultern befestigt, und es saßen drei mit Kappen verhüllte Falken auf ihm, die mit klingelnden Glöckchen behangen waren. Das Mädchen trat zu dem Falkner und setzte ihren Falken mit einer schnellen Drehung der Hand auf den Reifen, wo er sich eilig zurechtsetzte und zwischen seinen Gefährten niederließ, die ihre verhüllten Köpfe schüttelten und sich aufplusterten, daß die Glöckchen wieder zu klingeln begannen. Der andere Mann trat vor und nahm mit einer respektvollen Verbeugung den Hasen und steckte ihn in den Beutesack.
»Das sind meine Piqueure«, sagte das Mädchen und wandte sich mit freundlicher Würde zu mir um. »Raoul ist ein guter Falkner, und ich werde ihn eines Tages zum Grand Veneur machen. Hastur ist unvergleichlich.«
Die beiden schweigsamen Männer begrüßten mich ehrerbietig.
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, Monsieur, ich würde Ihnen beweisen, daß Sie sich irren?« fuhr sie fort. »Dies nun ist meine Genugtuung, daß Sie die Güte haben werden, Speise und Schutz in meinem Hause anzunehmen.«
Bevor ich noch antworten konnte, richtete sie das Wort an die Falkner, die augenblicklich durch das Heidekraut aufbrachen, und mit einem würdevollen Wink an mich folgte sie ihnen nach. Ich weiß nicht, ob ich ihr verständlich machen konnte, welch tiefe Dankbarkeit ich empfand, aber sie schien erfreut zu lauschen, als wir durch das feuchte Heidekraut schritten.
»Sind Sie nicht sehr müde?« fragte sie.
Ich hatte in ihrer Gegenwart meine Müdigkeit vollkommen vergessen, und das sagte ich ihr auch.
»Finden Sie nicht, daß Ihre Galanterie ein wenig altmodisch ist?« sagte sie, und als ich sie verwirrt und beschämt ansah, fügte sie hinzu: »Ich mag es, ich mag alles Altmodische, und es bereitet mir Vergnügen, Sie solch angenehme Dinge sagen zu hören.«
Das Moor um uns herum war jetzt sehr still unter der geheimnisvollen Nebeldecke. Die Wasservögel hatten aufgehört, zu rufen. Die Heuschrecken und all die anderen kleinen Feldbewohner waren still, als wir vorübergingen, aber es schien mir, als könne ich sie weit hinter uns wieder zu lärmen beginnen hören. Ein gutes Stück vor uns durchbrachen die beiden hochgewachsenen Falkner das Heidekraut, und das leise Klingeln der Falkenglocken tönte wie entferntes Gemurmel an unsere Ohren.
Plötzlich brach ein prachtvoller Jagdhund aus dem Nebel vor uns, ein weiterer folgte und noch einer, bis ein halbes Dutzend oder mehr um das Mädchen neben mir herumtollten und -sprangen. Sie streichelte und beruhigte sie mit ihrer behandschuhten Hand und sprach zu ihnen in vertrauten Wendungen, die ich, wie ich mich erinnerte, in alten Handschriften gesehen hatte.
Dann begannen die Falken auf dem Reif, die von den Falknern vorangetragen wurden, mit den Flügeln zu schlagen und zu schreien, und von irgendwo außerhalb unseres Gesichtsfeldes schwebten die Klänge eines Jagdhorns über das Moor. Die Spürhunde sprangen davon und verschwanden in der Dämmerung, die Falken flatterten auf ihrer Stange und stießen schrille Schreie aus, und das Mädchen nahm summend die Melodie des Hornes auf. Klar und weich tönte ihre Stimme durch die Nacht.
»Chasseur, chasseur, chassez encore,
Quittez Rosette et Jeanneton,
Tonton, tonton, tontaine, tonton,
Ou pour, rabattres dès l’aurore,
Que les Amour soient de planton,
Tonton, tontaine, tonton.«
Während ich ihrer lieblichen Stimme lauschte, türmte sich eine graue Masse vor uns auf, die rasch deutlichere Formen annahm, und das Horn übertönte fröhlich den Lärm der Jagdhunde und Falken. Am Tor glimmte eine Fackel und Licht strömte aus einer sich öffnenden Tür, und wir betraten eine Holzbrücke, die unter unseren Schritten erzitterte und sich knarrend und ächzend hinter uns hob, als wir den Graben überquerten und in einen kleinen, steinernen Hof eintraten, der auf allen Seiten von Mauern umgeben war. Aus einem offenen Tor trat ein Mann, beugte den Kopf zum Gruße und bot dem Mädchen neben mir einen Becher. Sie nahm ihn und
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