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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert W. Chambers
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hielt es draußen vor der Tür, und ich schleppte mich zum Fenster und sah einen mit schwarzen Federbüschen geschmückten Leichenwagen. Das Tor unten öffnete sich und schloß sich wieder, und ich kroch zitternd zur Tür und verriegelte sie, aber ich wußte, daß kein Riegel und kein Schloß dieses Wesen aufhalten konnte, der gekommen war, um das Gelbe Zeichen zu holen. Nun hörte ich, wie er sich sehr leise im Korridor bewegte, dann war er an der Tür, und die Riegel verrotteten unter seiner Berührung. Nun war er eingetreten. Ich starrte in die Dunkelheit, daß mir die Augen aus dem Kopf sprangen, aber als er in den Raum kam, sah ich ihn nicht. Erst als ich fühlte, wie er mich mit kaltem, weichem Griff umfaßte, schrie ich auf und kämpfte mit tödlicher Wut, aber meine Hände waren zu nichts nütze, und er riß die Onyxspange von meiner Jacke und hieb mich mitten ins Gesicht. Dann, als ich fiel, hörte ich Tessies leisen Schrei, und ihr Geist verließ sie. Im Fallen sehnte ich mich danach, ihr zu folgen, denn ich wußte, daß der König in Gelb seinen zerfetzten Umhang geöffnet hatte, und wir konnten jetzt nur noch Gott anrufen.
    Ich könnte mehr erzählen, aber ich kann nicht sehen, was es der Welt für einen Nutzen bringen sollte. Was mich betrifft, so befinde ich mich jenseits menschlicher Hilfe oder Hoffnung. Wie ich hier liege und schreibe, gleichgültig sogar, ob ich sterbe, bevor ich geendet habe, kann ich den Doktor sehen, der seine Pulver und Phiolen zusammenrafft und dem Priester neben mir ein Zeichen macht, das ich verstehe.
    Sie werden neugierig sein, die Tragödie zu verstehen – sie, die in der Welt draußen leben und Bücher schreiben und Millionen von Zeitungen drucken, aber ich werde nicht mehr schreiben, und der Beichtvater wird meine letzten Worte mit dem heiligen Siegel verschließen, wenn seine Pflicht erfüllt ist. Jene aus der Welt draußen, mögen sie ihre Geschöpfe in zerfallene Häuser und an todverkündende Feuerstellen schicken, und ihre Zeitungen werden sich weiden an Blut und Tränen, aber ihre Spione werden vor dem Beichtgeheimnis haltmachen müssen. Sie wissen, daß Tessie tot ist, und daß ich im Sterben liege. Sie wissen, wie die Leute im Haus, aufgeschreckt durch einen entsetzlichen Schrei, in meine Wohnung eilten und einen Lebenden und zwei Tote fanden, aber sie wissen nicht, was ich ihnen jetzt sagen werde: sie wissen nicht, daß der Doktor sagte, als er auf einen scheußlichen, verwesten Haufen auf dem Fußboden zeigte – es war der fahle Körper des Nachtwächters von der Kirche –: »Ich habe keine Theorie, keine Erklärung dafür. Dieser Mann muß seit Monaten tot sein!«
    Ich glaube, ich sterbe. Ich wünschte, der Priester würde –

Das Fräulein
von Ys
    »Mais je croy que je
    Suis descendu on puiz
    Tenebreux onquel disoit
    Heraclytus estre Verité cachée.«
     
    »Drei Dinge gibt es, die zu wunderbar sind, fürwahr vier, die ich nicht kenne:
    Der Weg eines Adlers in den Lüften, der Weg einer Schlange auf dem Felsen, der Weg eines Schiffes auf hoher See und der Weg eines Mannes mit einem Mädchen.«
    I
    Die außerordentliche Trostlosigkeit der Kulisse begann, auf mich zu wirken. Ich setzte mich nieder, um die Lage zu überdenken und, wenn möglich, einen Anhaltspunkt zu finden, der mir helfen konnte, mich aus meiner gegenwärtigen Lage zu befreien. Wenn ich nur das Meer wiederfinden könnte, würde sich alles aufklären, denn ich wußte, daß man die Insel von Groix von den Klippen aus sehen konnte. Ich legte mein Gewehr ab und kauerte mich hinter einen Felsblock, um mir eine Pfeife anzuzünden. Dann sah ich auf meine Uhr. Es war fast vier Uhr. Ich mußte seit Tagesanbruch von Kerselec aus gewandert sein.
    Als ich am Tag zuvor mit Goulven auf den Klippen unterhalb von Kerselec stand und über die düsteren Moore blickte, in denen ich mich nun verlaufen hatte, waren mir diese Niederungen so flach wie eine Wiese vorgekommen, die sich bis zum Horizont erstreckt, und obwohl ich wußte, wie sehr die Entfernung täuschen kann, war mir nicht klar, daß das, was von Kerselec aus wie grasbedeckte Senken aussah, große Täler voller Ginster und Erika waren, und daß es sich bei dem, was aussah wie verstreute Felsblöcke, in Wirklichkeit um riesige Granitklippen handelte.
    »Es ist ein gefährlicher Ort für Fremde«, hatte der alte Goulven gesagt, »Sie sollten sich besser einen Führer nehmen«, und ich hatte geantwortet: »Ich werde mich nicht verirren.« Nun, als ich

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