Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Tuch ein Stück nach hinten gerutscht. Schimmernde blonde Locken ringelten sich in die Stirn.
Wo hatte er das Mädchen schon einmal gesehen?, fragte sich Wittiges verwirrt. Die Anwesenheit der seltsamen Magd störte ihn, denn er kämpfte schon seit einer Weile mit einem Entschluss. Als er vor vier Wochen bei einem der Untergebenen des Haushofmeisters vorgesprochen hatte, war ihm eine bescheidene Unterkunft zugewiesen worden, aber dann hatte man ihn vollkommen sich selbst überlassen. Vielleicht hatte man ihn wegen der vielen Fremden am Hof vergessen, vielleicht hoffte man, dass er von selbst verschwand. Und wenn er versuchte, irgendwo Fuß zu fassen, war er noch überall beiseitegeschoben oder gar weggescheucht worden. Es gab keine Aufgabe für ihn.
Bis jetzt.
„Niemand schneidet ihr die Kehle durch“, sagte das Mädchen mit bebender Stimme. Hinter ihr erschien ein magerer Arm und zupfte sie am Kittel.
„Wir müssen gehen“, flüsterte ein ängstliches Stimmchen.
Da war noch ein Mädchen! Ungläubig schüttelte Wittiges den Kopf.
„Lass mich!“ Die ältere Magd rutschte weiter nach vorn und bettete den Kopf der Stute in ihren Schoß. Kurz blitzte wie ein Irrlicht etwas leuchtend Farbiges durch einen Seitenschlitz ihres Kittels. Das Mädchen hob den Kopf und schien Wittiges jetzt erst wahrzunehmen.
„Du da! Was starrst du so? Warum tust du nichts? Stehst nur herum und glotzt. Hol du den Stallmeister, der hier die Aufsicht hat!“
„Er wird nicht kommen“, wandte der andere Stallbursche ein. „Wie die anderen auch ist er mit den fremden Pferden beschäftigt.“
Wut brannte in den Augen des Mädchens. „Sie haben euch zwei Hohlköpfe mit der Stute allein gelassen? Wer hat das angeordnet?“
Betreten sahen die Burschen beiseite.
Wittiges hielt den Blick auf den Leib der Stute gerichtet. Schon vorher hatte er einen Verdacht gehegt und jetzt war er sich seiner Sache sicher. Ohne Rücksicht auf die feine Tunika aus dunkelblauer Wolle, kniete er sich vor das Tier. Das Fruchtwasser war längst abgegangen und das Stroh durchweicht. Es stank betäubend. Aber durch den Gestank erreichte ihn der zarte Duft eines Parfüms. Wieder fragte er sich, wer das ältere Mädchen sei, schob aber den Gedanken beiseite und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf das leidende Tier. Behutsam glitten seine Hände über den Leib, bis sie schließlich an einer Stelle innehielten. In der Stille, die ihn umfing, war es ihm, als würde die Stute ihm über die Berührung seiner Hände den Grund für ihr Leiden mitteilen. Ja, einen Moment ging er in ihrem Bewusstsein auf, und eine heiße Welle des Mitleidens schwappte in ihm hoch. Er liebte Pferde. Dann wurde er sich der Augenpaare bewusst, die ihn teils misstrauisch, teils beklommen beobachteten. Er erhob sich, klopfte nachlässig das Stroh vom Gewand ab, stellte sich wieder an den Pfeiler und verschränkte die Arme.
„Und?“, schrie das Mädchen.
Unter dem schäbigen Kittel trug die angebliche Magd ein Gewand aus roter Seide. Jetzt hätte er fragen können, wer sie war. Stattdessen zuckte er die Schultern wie der Stallknecht. Gerade noch hatte ihn Erregung erfasst, jetzt fiel sie von ihm ab. Die Stute ging ihn nichts an, das Mädchen ging ihn nichts an.
„Das Fohlen liegt falsch. Da kann man nichts machen“, erklärte er kühl.
„Wir müssten längst ...“, wimmerte die andere helle Stimme.
„Das glaube ich nicht“, widersprach das Mädchen herrisch, ohne sich um das Flehen der Kleinen zu scheren. „Es muss eine Möglichkeit geben. Du weißt etwas, nicht wahr?“ Brennend bohrte sich ihr Blick in seine Augen.
Die Gleichgültigkeit, auf die er sich gerade noch versteift hatte, bröckelte. „Unser Stallmeister daheim hat ...“, er brach ab.
„Was?“
„Nun gut“, antwortete Wittiges seufzend und krempelte die Ärmel auf. „Holt Wasser - viel Wasser. Und Salbe, Butter, Öl, irgendetwas, womit ich mir die Arme einreiben kann“, befahl er den Knechten. Geradezu erleichtert stoben sie davon.
„Was hast du vor, und kann ich selbst etwas tun?“, flüsterte das Mädchen.
Wittiges wusste immer noch nicht, wen er vor sich hatte. Keine Magd, so viel war längst klar. Eine Magd war höchstens die Kleine, die sich immer noch im Schatten befand und wieder am Gewand ihrer Herrin zupfte. „Sie werden mich schlagen, wenn wir ...“, schluchzte sie.
„Halt den Mund!“, fuhr sie das ältere Mädchen an. „Also noch einmal: Was hast du vor, und was kann ich
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