Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Unverschämtheit. Hundert Männer in bunt gemusterten Hosen und ebenso farbenfreudigen Tuniken waren sie nicht gewohnt. Zwei fränkische Krieger neben Gogo machten sich einen Spaß daraus, ihre Hosen regelrecht zur Schau zu stellen, in dem sie eine Hand in die Hüfte stemmten und ein Bein vorstreckten.
Wo blieb dieses Mädchen? Um einen Rest von Selbstbeherrschung ringend, starrte Gogo zur gewölbten Decke des Thronsaals hinauf. Auf Prunk verstanden sich die Westgoten. Die gesamte Decke war mit schimmerndem Goldmosaik ausgekleidet. Schwungvolle Ranken begrenzten Szenen, in denen anscheinend Heilige dargestellt waren oder Vorfahren des Königs, und wechselten ab mit schmalen Bildfeldern, in denen exotisches Getier durch blumige Auen sprang. Die Kreatur über ihm war eindeutig ein Löwe. Der ganze Saal wirkte wie der Innenraum einer Basilika. Weihrauchduft, der aus silbernen Räuchergefäßen aufstieg, verbreitete sakrale Weihe. Die Seitenwände waren mit farbigem Marmor verkleidet, und durch die Rundbogenfenster hoch oben fiel mildes goldfarbenes Licht. So ähnlich wie dieser mussten die Säle in den Palästen des oströmischen Kaisers in Byzanz aussehen. Der Kaiser von Ostrom gab noch immer das Maß aller Dinge vor, ihm eiferte Athanagild eindeutig nach.
Am Räuspern und Füßescharren merkte Gogo, dass sich etwas tat. Eine Seitentür neben der erhöhten Thronempore hatte sich geöffnet und die königliche Familie hielt endlich Einzug. Gogos Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf eine einzige Person.
Da war sie! Athanagild und Goiswintha hatten ihre Tochter in die Mitte genommen und hielten sie an der Hand. Eine Goldjungfrau, war Gogos erster Gedanke. Es bestand kein Zweifel daran, das Athanagild seinen neuen Verbündeten etwas sehr Kostbares, sehr Erlesenes überantwortete.
Das Mädchen trug ein weißes Unterkleid mit besticktem Saum und darüber ein goldenes Gewand, das unterhalb der hoch angesetzten Taille raffiniert in schrägen Bahnen angeordnet war. Es funkelte und glitzerte nur so vor aufgenähten Juwelen und Perlen. Ein breites Collier bedeckte den Ausschnitt, lange Ohrgehänge aus Perlen und Edelsteinen bildeten einen weiteren Blickfang. Das lockige blonde Haar war hoch aufgetürmt und wurde oben von einem Krönchen zusammengehalten. Das Mädchen war ein einziges Schmuckstück. Eine Ikone. Gogo hatte erhebliche Mühe, hinter dem aufgebotenen Prunk einen Menschen zu erkennen. War die Kleine hübsch? Während er auf ein Knie sank, fragte er sich, ob die überladene Aufmachung von einem Gebrechen ablenken sollte. Unauffällig hielt er nach einem Klumpfuß oder einem Buckel Ausschau. Aber vielleicht schielte sie ja nur.
Als das Begrüßungszeremoniell mit den vorgeschriebenen Verneigungen und kurzen Ansprachen überstanden war, durfte Gogo die Stufe zur Empore hinaufsteigen. Athanagild hatte sich auf seinem Thron niedergelassen, seine Königin und die Söhne hatten auf bereitgestellten Stühlen Platz genommen, nur das Mädchen stand noch. Ein näselnder Höfling betete die Vorzüge und Tugenden der Prinzessin herunter. Von Schönheit war in dem Gefasel nicht die Rede, aber vielleicht war ein Hinweis auf Schönheit für das überaus vornehme westgotische Herrscherhaus vulgär.
Nach der Lobrede durfte sich Gogo endlich Brunichild nähern. Er hielt den Blick noch gesenkt, denn er war damit beschäftigt, ein Emailkästchen aufzuklappen und ihm einen Siegelring zu entnehmen, der ihm auf einmal geradezu schäbig vorkam. Ein roter Stein mit einem eingeschnittenen Stierkopf, dem symbolträchtigen Emblem der Ahnen Sigiberts, in einer groben Fassung. Dem Protokoll entsprechend, über das ihn ein Zeremonienmeister unterrichtet hatte, durfte er der Prinzessin ohnehin nicht direkt ins Gesicht sehen.
Als Sperre gegen frevelhafte Blicke bedeckte ein hauchfeiner, beinahe durchsichtiger Schleier Brunichilds Haupt. Auf einmal reizte Gogo das Getue, das den hohen Rang dieser Sechzehnjährigen auch dem Begriffsstutzigsten demonstrieren sollte, zu offenem Widerstand. Alle Vorschriften in den Wind schlagend, starrte er Brunichild an, während er seine Ansprache hielt und sie im Namen Sigiberts als Königin anerkannte.
Er stockte kurz.
Das Mädchen sagte kein Wort.
Stattdessen schnarrte der Höfling eine Antwort.
Dann versicherte Gogo die Prinzessin beinahe schon grimmig seiner Ergebenheit und seines Schutzes. In diesem Augenblick meinte er trotz des Schleiers in den blauen Augen einen flüchtigen Ausdruck von Erschrecken
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