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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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begann zu zucken, wie bei einem Fisch, der im Netz zappelt und noch einmal mit aller Macht versucht, in sein altes Element zurückzugelangen.
    Schade, dass man das nicht in Zeitlupe filmen kann. Ein großartiges Spektakel. Wie wenn ein Wal geschlachtet wird. Alle Farbe war aus Oda-Gesines Gesicht gewichen. Was eben noch putterrot gewesen war, war jetzt leichenblass.
    »Oda-Gesine? Was ist los? Gibst du etwa schon auf?«
    Oda-Gesine antwortete nicht. Ihr Atem kam nur noch schnappartig und unregelmäßig. Ich beobachtete interessiert, wie sie blau anlief. Bönni, der Köter, war nun von seinen lebhaften Sprüngen zurückgekehrt und beugte sich winselnd über seine Herrin. Der Seiber tropfte auf ihr Gesicht und vermischte sich mit dem Speichel, der nun aus Oda-Gesines Mundwinkeln lief. Ihre Lippen verkrampften sich und zuckten, als hätte jemand ein Stromkabel daran gehalten.
    »Oda-Gesine!«
    Doch Oda-Gesine wollte nichts mehr sagen. Das Zucken wurde langsamer, die Muskeln erschlafften. Der ganze schwere Körper fiel mit einem klatschenden Geräusch flach auf den Rücken. Es erinnerte mich an das dumpfe, satte Zuschlägen der Autotür des stoßgedämpften Luxusmodells von Jo aus Wien. Hmpff. Wff. Schön weich. Oda-Gesine sah nun nicht mehr ganz so blau aus, aber immer noch bläulich. Ihre Augen waren glasigen Blickes zur Seite gerichtet.
    Wenn ich in deine Augen seh …so schwindet all mein Leid und Weh … Was sie wohl sah? Den Himmel offen? Die Hölle gar? Vielleicht ein lecker vor sich hinbrutzelndes Fegefeuer? Die geballten Fäuste öffneten sich. Bönni leckte seiner Herrin die Handinnenflächen.
    Ich stand noch eine Weile erschüttert da.
    Wer würde diesen greulichen Anblick ertragen müssen? Ein unschuldiger Spaziergänger? Ein ahnungsloser Forstarbeiter? Ein spielendes Kind? Ich bückte mich, nahm ihr die Pulsuhr ab und auch den völlig schweißdurchtränkten Brustgurt. Ich kramte in Oda-Gesines schwarzem Umhang und fand den Haustürschlüssel in der rechten Manteltasche.
    »Komm, Bönni«, sagte ich, »mein Schweiß wird kalt. Ich hasse es, wenn ich beim Laufen unterbrochen werde und rumstehen muss, bis aus dem angenehmen Schwitzen ein kaltes, klammes Frösteln wird. Zuerst wird gründlich kalt geduscht. Sonst hat das Laufen nicht seinen lustvollen Höhepunkt erreicht. Da bin ich eigen.«
    »Böff«, machte Bönni. Er machte den Eindruck, als sei er einverstanden und wolle hier auch nicht länger rumstehen. Wir trabten gemächlich nach Hause.
    Auf dem gesamten Rückweg begegnete uns keiner. Ich überlegte, was ich jetzt machen sollte. Mir war nach einer kalten Dusche. Aus meinem Auto holte ich die Sporttasche mit einer Garnitur frischer Wäsche.
    Ich schloss die Haustür auf und ging nach oben.
    Hinter dem Schlafzimmer fand ich ein Bad. Es war scheußlich altbacken gekachelt, und es verfügte über einen alten, maroden Heizstrahler. Auf dem Badewannenrand stand eine leergefressene Schachtel »Mini-Dickmacher« und eine angebrochene Flasche Champagner.
    Ich schenkte mir etwas Champagner in Oda-Gesines Zahnputzglas. »Prost Bönni!«, sagte ich zu dem erstaunt blickenden Dobermann. Der Schampus schmeckte genauso urinär warm wie der »Wört-Flört«-Sekt. Nur nicht so süß.
    Ich entledigte mich meiner Joggingklamotten, duschte kalt und sang aus voller Kehle: »Ich grolle nicht, und wenn das Heeerrzz auch bricht …« Und beim Abtrocknen: »Die alten bösen Lieder, die Träume bös und arg, die laßt uns jetzt begraben, holt einen großen Sarg!«
    Dann zog ich die frischen Sachen an.
    So. Jetzt ging es mir schon viel besser. Ich fühlte mich so großartig wie immer nach dem Laufen. Wie frisch geboren, frisch getauft und frisch gestrichen. Einfach zum Bäumeausreißen.
    Den Heizstrahler ließ ich brennen. Auch den maroden alten Fön und den Lockenstab setzte ich unter Strom. Pfeifend ging ich die Treppe hinunter.
    Im Wohnzimmer stand noch alles, wie wir es verlassen hatten. Das fettige Essen gab einen aufdringlichen Duft von sich. Bönni jammerte vor Gier. Ich kippte alles zusammen auf den Fußboden und scharrte es mit dem Fuß zu einem Fresshaufen zusammen. Bönni machte sich ausgehungert darüber her.
    Währenddessen zündete ich alle Kerzen wieder an. Ein paar trockene Tannenreiser, Zweige und Trockenblumensträußchen legte ich unmittelbar neben die Kerzen.
    Im Küchenschrank unter der Spüle fand ich eine halbvolle Flasche Spiritus. Ich verteilte das übel riechende Zeug auf den Tannreisern, auf dem Teppich

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