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Der General von Dorsai

Der General von Dorsai

Titel: Der General von Dorsai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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beten für dich und warten darauf, wieder von dir zu hören.
    Aber ich spreche jetzt aus einem traurigen Anlaß zu dir. Dein Onkel Kensie wurde vor gut einem Monat ermordet. Es geschah eines Nachts in den dunklen Straßen von Blauvain auf Santa Maria, und seine Mörder gehörten zu einer örtlichen Terroristengruppe, die gegen die dortige Regierung opponiert. Ian, der als Offizier natürlich in derselben Einheit diente, schaffte es später irgendwie, das Hauptquartier dieser Gruppe in irgendeinem Hinterhof ausfindig zu machen. Er brachte die drei Männer, die er dort vorfand, mit bloßen Händen um. Doch das gibt uns Kensie nicht zurück.
    Aber es ist Ian, der uns im Augenblick hauptsächlich Sorgen macht. Er lehnte es ab, Kensie auf Santa Maria bestatten zu lassen. Er brachte den Toten heim. Nun ist er schon seit einigen Wochen hier. Wie du weißt, ist er immer der düsterere und schwermütigere der beiden Zwillinge gewesen, wohingegen Kensie Zeit seines Lebens das doppelte Maß an Heiterkeit und Frohsinn zu besitzen schien, über das der normale Mensch verfügt. Deine Mutter meint, jetzt ist es, als habe Ian seinen guten Engel verloren und sei den Mächten der Dunkelheit, die schon immer so großen Einfluß auf ihn hatten, hilflos ausgeliefert.
    Natürlich sagt sie es nicht genau auf diese Weise. Es ist die Frau und Exotin in ihr, die aus ihr spricht – aber ich habe nicht zweiunddreißig Jahre mit ihr zusammengelebt, ohne festzustellen, daß sie tiefer als ich in die Seele eines Menschen hineinzublicken vermag. In einem gewissen Maß hast auch du diese Gabe geerbt, Donal. Also verstehst du vielleicht besser, was sie meint. Jedenfalls schicke ich dir diese Botschaft auf ihr Drängen hin – obwohl ich dich natürlich ohnehin von Kensies Tod unterrichtet hätte.
    Wie du weißt, bin ich immer der Ansicht gewesen, Angehörige ein und derselben Familie sollten nicht in derselben Kampf- oder Garnisonseinheit dienen, damit die Familienbande und persönlichen Gefühle nicht die militärischen Verantwortlichkeiten beeinflussen. Aber deine Mutter meint, man dürfe jetzt nicht zulassen, daß Ian weiterhin wie bisher in seinem düsteren Schweigen dahindämmert und tatenlos herumsitzt. Er sollte wieder aktiv werden. Und sie läßt dich durch mich fragen, ob du in deinem Stab einen Posten finden kannst, wo du ihn im Auge hast. Ich weiß, es wird für euch beide schwierig sein, wenn er eine Stellung einnimmt, die der deinen untergeordnet ist. Aber deine Mutter glaubt, das sei der gegenwärtigen Situation vorzuziehen.
    Ian hat nicht den Wunsch geäußert, wieder in den aktiven Dienst zurückzukehren. Aber wenn ich als Familienoberhaupt mit ihm spreche, wird er einwilligen. Deinem Bruder Mor auf Venus geht es sehr gut; er ist kürzlich zum Kommandeur befördert worden. Deine Mutter bittet dich sehr, ihm zu schreiben, auch wenn er vielleicht nichts von sich hat hören lassen: Er mag einige Hemmungen haben, dir einfach so zu schreiben, da du es in so kurzer Zeit so weit gebracht hast, obwohl er der Ältere ist.
    Mit all unserer Liebe: Eachan.“
     
    Die durch die kleine transparente Abdeckung sichtbare Spule hielt an. Das Echo von Eachan Khan Graemes Stimme verklang zwischen den grauen Wänden des Büros. Donal saß reglos an seinem Tisch, und sein Blick ging ins Leere, als er sich an Kensie erinnerte.
    Und als seine Gedanken zurückeilten, erschien es ihm seltsam, festzustellen, daß er sich nur an so wenige konkrete Episoden erinnern konnte. Während seiner Kindheit schien ihn das Lächeln seines Onkels ständig begleitet zu haben – und doch war Kensie nur selten zu Hause gewesen. Er hätte angenommen, sich an die besonderen Ereignisse zu erinnern, die Kensies Rückkehr oder erneuter Aufbruch für ihn dargestellt hatten. Doch statt dessen hatte er nur das Gefühl, als sei eine allgegenwärtige Präsenz, eine Art Licht im Hause seines Vaters, ausgelöscht worden.
    Donal seufzte. Es schien, daß er wie ein Magnet war, der ständig Menschen anzog. Zuerst Lee. Dann den narbengesichtigen el Man, der ihn gebeten hatte, ihn begleiten zu dürfen, wenn er Freiland verließ. Und jetzt Ian. Nun, Ian war ein guter Offizier, ganz gleich, wie sehr ihn der Tod seines Zwillingsbruders jetzt gelähmt hatte. Es würde Donal ganz und gar nicht schwerfallen, einen Platz für ihn zu finden. Tatsächlich konnte er ihn brauchen.
    Donal betätigte eine andere Taste und beugte sich zu dem kleinen Sprechgitter des im Schreibtisch integrierten

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