Der Genesis-Plan SIGMA Force
körperlichen Verfalls war noch immer mit ihm zu rechnen. Er sprach etwas schleppend, doch das konnte auch an den Medikamenten liegen. Würde er bis zuletzt bei vollem Bewusstsein sein?
Unwillkürlich tastete sie unter der Tischplatte nach seiner Hand.
Er erwiderte ihren Händedruck.
Sie wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Die Stärke ihrer Empfindungen überraschte und überwältigte sie. Dabei kannten sie sich kaum. Sie wollte mehr von ihm erfahren. Sie wollte wissen, was sein Lieblingsgericht war, was ihn lauthals zum Lachen brachte, wie er tanzte und was er einem beim Gutenachtsagen ins Ohr flüsterte. Sie wollte nicht, dass das alles verloren ging.
Er drückte ihr die Hand, als könnte sie ihn mit bloßer Willenskraft am Leben erhalten.
In diesem Moment öffnete sich erneut die Tür, und der britische Geheimagent betrat den Raum.
Lisa musterte die Person überrascht. Sie hatte einen James-Bond-Klon erwartet, einen gut aussehenden Spion im Armani-Anzug. Stattdessen betrat eine mit einem zerknitterten Safarianzug bekleidete ältere Frau den Raum. In der Hand hielt sie einen zerknautschten Hut. Ihr Gesicht war mit Ausnahme der Augen, die sie unterwegs offenbar mit einer Sonnenbrille geschützt hatte, mit rötlichem Staub verkrustet. Deshalb wirkte sie trotz der müde herabhängenden Schultern und einer gewissen Traurigkeit im Blick irgendwie erstaunt.
»Ich bin Dr. Paula Kane«, sagte sie, nickte Major Brooks zu und trat dann an den Tisch. »Zur Koordination des Einsatzes bleibt uns nicht mehr viel Zeit.«
Painter hatte sich erhoben. Auf dem Tisch waren Satellitenfotos ausgebreitet. »Wann wurden die Aufnahmen gemacht?«, fragte er.
»Gestern Abend«, antwortete Paula Kane.
Ihre Funktion hatte sie bereits erläutert. Nach der Promotion in Biologie sei sie vom britischen Geheimdienst angeworben und nach Südafrika geschickt worden. Zusammen mit ihrer Partnerin habe sie eine Reihe von Forschungsvorhaben durchgeführt und gleichzeitig das Waalenberg-Anwesen beobachtet. Sie hätten die Familie fast ein Jahrzehnt lang ausspioniert, bis sich vor zwei Tagen die Tragödie ereignet habe. Ihre Partnerin sei unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Die offizielle Version laute, sie sei von Löwen angegriffen worden. Als Paula Kane diese Erklärung vorbrachte, wirkte sie jedoch wenig überzeugt.
»Nach Mitternacht haben wir die Anlage mit Infrarot gescannt«, fuhr Paula fort, »aber leider trat ein Defekt auf. Das Foto ging verloren.«
Painter musterte den Grundriss des gewaltigen Anwesens, das eine Gesamtfläche von über hunderttausend Morgen einnahm. Eine kleine Rollbahn war zu erkennen, eine Schneise mitten durch den Dschungel. Im bewaldeten Hochland, auf den weitläufigen, grasbestandenen Savannen und im dichten Wald lagen verschiedene Nebengebäude verstreut. Mitten im tiefsten Dschungel lag eine Burg aus Stein und Holz, der Hauptsitz der Waalenbergs.
»Ein besseres Foto vom Terrain haben wir nicht?«
Paula Kane schüttelte den Kopf. »Der Dschungel in dieser Gegend besteht aus Bergregenwald mit uraltem Baumbestand. Solche Wälder gibt es in Südafrika nur noch sehr wenige. Die Waalenbergs haben diesen Ort ausgewählt, weil er abgelegen ist und weil sie sich diesen riesigen Wald aneignen wollten. Die Basis des Waldes bilden vierzig Meter hohe Bäume, die in klar abgegrenzte Schichten gegliedert sind. Die Artenvielfalt übertrifft die anderer Regenwälder einschließlich des kongolesischen Dschungels.«
»Zudem bietet er hervorragende Deckung«, bemerkte Painter.
»Was unter dem Blätterdach vorgeht, wissen allein die Waalenbergs. Allerdings ist uns bekannt, dass das Herrenhaus nur die Spitze des Eisbergs ist. Auf dem Gelände gibt es weitläufige unterirdische Anlagen.«
»Wie tief unter der Erde?«, fragte Painter und sah Lisa an. Falls hier tatsächlich Experimente mit der Glocke durchgeführt wurden, dann sicherlich unterirdisch.
»Das wissen wir nicht. Jedenfalls nicht genau. Aber die Waalenbergs haben ein Vermögen mit der Goldförderung verdient.«
»Am Witwatersrand Reef.«
Paula schaute hoch. »Genau. Wie ich sehe, haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht.« Sie wandte sich wieder den Satellitenfotos zu. »Die bei der Goldförderung gewonnenen Kenntnisse sind in den Bau der unterirdischen Anlage eingeflossen. Es ist uns bekannt, dass Bertrand Culbert, der leitende Bergbauingenieur, zum Bau des so genannten Fundaments des Herrenhauses hinzugezogen wurde. Kurz darauf ist er allerdings
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