Der Genesis-Plan SIGMA Force
die Schüsse gekommen waren. Warnend schwenkte sie die Hände. »Passt auf!«, rief sie den Wachposten zu.
Die Wachposten rannten mit vorgehaltenen Gewehren den Kreisweg entlang und näherten sich Gray aus beiden Richtungen. Gray ließ sich fallen, rollte sich ab und drückte dabei das Gewehr an die Brust. Er warf sich vom Hochweg. Der erste Wachposten würde ihn in wenigen Sekunden erreicht haben. Wie zuvor hielt er sich am Seilgeländer fest, bekam es in der Hektik aber nur mit einer Hand zu fassen. Er schwang herum. Das Gewehr rutschte ihm von der Schulter.
Unter allerlei Verrenkungen bekam er den Lederriemen mit einem Finger zu fassen und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Über ihm polterten die Wachposten vorbei und versetzten das Geländerseil in Schwingung.
Plötzlich entglitt Gray der Lederriemen. Die Schwerkraft hatte ihn entwaffnet. Das Gewehr bohrte sich ins Unterholz. Gray fasste mit der anderen Hand nach dem Seil und hielt sich fest. Wenigstens hatte sich beim Aufprall kein Schuss gelöst.
Die Schritte der Wachposten entfernten sich.
Er hörte, wie Ischke ins Funkgerät sprach.
Was nun?
Es stand Messer gegen Pistole. Er zweifelte weder an ihrer Bereitschaft, die Waffe einzusetzen, noch an ihrer Treffsicherheit.
Dafür hatte er das Überraschungsmoment auf seiner Seite.
Das aber wurde zumeist überschätzt.
Gray hangelte sich an der Unterseite des Hochweges entlang bis zum Kreisgang vor. Dann bewegte er sich an dessen Außenrand weiter, sodass er von der Frau nicht gesehen werden konnte. Da er die Holzbohlen nicht in Schwingung versetzen wollte, kam er nur langsam voran. Er stimmte seine Bewegungen auf die Windböen ab, die sich hin und wieder im Blätterdach fingen.
Seine Annäherung blieb jedoch nicht unbemerkt.
Fiona war im Käfig so weit wie möglich von Ischke abgerückt. Offenbar hatte sie deren Bemerkung verstanden. Wir sollen das Mädchen auf der Stelle töten. Obwohl die blonde Frau durch die Schüsse vorübergehend abgelenkt gewesen war, wandte sie sich nun wieder Fiona zu.
Da Fiona am Käfigboden hockte, sah sie Gray, einen Gorilla in weißem Overall, der sich, halb vom Laubwerk verdeckt, an der Unterseite des Kreisweges entlanghangelte. Sie zuckte vor Überraschung zusammen, fasste sich jedoch rasch wieder. Ihre Blicke trafen sich.
Trotz ihres lautstarken Wütens lag Entsetzen in ihrem Blick. In dem Käfig wirkte sie viel kleiner und verletzlicher als zuvor. Sie hatte die Arme um die Brust geschlungen und rang um Fassung. Aufgrund der Erfahrungen, die sie auf der Straße gesammelt hatte, wusste sie, dass sie ihren vollständigen Zusammenbruch allein mit Imponiergehabe verhindern konnte. Auf diese Weise hielt sie sich einigermaßen aufrecht.
Sie winkte ihm unauffällig zu, zeigte nach unten und schüttelte mit angstvoll geweiteten Augen andeutungsweise den Kopf, um ihn zu warnen.
Vom Boden drohte Gefahr.
Er musterte das dichte Gras und die auf der Lichtung verteilten Büsche. Der Schatten war nahezu undurchdringlich. Er konnte nichts Auffälliges erkennen, nahm sich Fionas Warnung jedoch zu Herzen.
Er durfte nicht den Halt verlieren.
Gray schätzte die Strecke ab, die er bislang zurückgelegt hatte. Er befand sich ungefähr in Acht-Uhr-Position, Ischke in Zwölf-Uhr-Position. Er hatte noch eine beachtliche Strecke zurückzulegen, und seine Arme ermüdeten bereits, und die Finger begannen zu schmerzen. Er musste sich beeilen. Das ständige Stop-and-Go war tödlich. Wenn er schneller hangelte, bestand allerdings die Gefahr, dass Ischke auf ihn aufmerksam wurde.
Fiona hatte offenbar den gleichen Gedanken. Sie stand auf, trat gegen die Gitterstäbe und rüttelte daran, sodass das ganze Gebilde ins Schwanken geriet. Gray hangelte sich daraufhin schneller vor.
Leider lenkte Fiona damit Ischkes Zorn auf sich.
Die Waalenberg senkte das Funkgerät und schrie Fiona zu: »Jetzt hab ich die Faxen aber langsam dicke!«
Fiona tobte ungerührt weiter.
Gray brachte die Neun-Uhr-Position hinter sich.
Ischke trat an die innere Drahtseilabspannung und geriet dabei zur Hälfte in Grays Sicht. Sie nahm ein Gerät aus der Tasche ihres Sweaters. Mit den Zähnen zog sie die Antenne heraus, dann richtete sie sie auf Fiona. »Es wird Zeit, dass du Skuld begegnest, der nordischen Schicksalsnorne.«
Sie drückte eine Taste.
Fast unmittelbar unterhalb von Gray heulte ein Tier wütend auf. Unter heftigem Geraschel trat es aus dem schattigen Dunkel des Dschungels auf die grasbestandene
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