Der Genesis-Plan SIGMA Force
tot, und ich bin schuld.« Offenbar machte sie sich schwere Vorwürfe.
»Unsinn.« Gray rückte näher an sie heran und legte ihr den Arm um die Schulter. »Wer immer diese Leute sind, sie waren von Anfang an zu allem entschlossen. Das wissen Sie auch. Sie hätten sich die gewünschten Informationen auf jeden Fall beschafft. Hätten Sie den Mann abgewiesen, hätten sie sich dadurch nicht von ihrem Vorhaben abhalten lassen. Hätten Sie Ihre Großmutter nicht dazu bewegt, dem Mann die Durchsicht der Akten zu gestatten, hätte er Sie womöglich beide auf der Stelle getötet.«
Fiona lehnte sich an ihn.
»Ihre Großmutter …«
»Sie war nicht meine Großmutter«, entgegnete Fiona mit dumpfer Stimme.
Gray hatte das bereits vermutet, doch er schwieg.
»Sie hat mich mal dabei erwischt, wie ich sie beklauen wollte. Das war vor zwei Jahren. Aber sie hat nicht die Polizei gerufen. Stattdessen hat sie mir eine Suppe gemacht. Hühnersuppe.«
Es war so dunkel, dass er Fionas Gesicht nicht erkennen konnte, doch er entnahm ihrem Tonfall, dass sie lächelte.
»So war sie. Hat Straßenkindern immer geholfen. Hat Streuner bei sich aufgenommen.«
»So wie Bertal.«
»Und mich.« Sie schwieg eine Weile. »Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie waren pakistanische Einwanderer. Aus dem Punjab. Wir hatten in London, im Waltham Forest, ein kleines Haus mit Garten. Wir wollten uns einen Hund anschaffen. Dann … sind sie gestorben.«
»Das tut mir leid, Fiona.«
»Mein Onkel und meine Tante haben mich aufgenommen. Sie waren gerade aus dem Punjab nachgekommen.« Eine weitere lange Pause. »Nach einem Monat fing er an, nachts in mein Zimmer zu kommen.«
Gray schloss die Augen. O Gott …
»Da bin ich abgehauen … Ich hab ein paar Jahre lang auf den Londoner Straßen gelebt, brachte aber die falschen Leute gegen mich auf. Musste mich absetzen. Ich bin mit dem Rucksack quer durch Europa getrampt. Schließlich bin ich hier gelandet.«
»Und Grette hat Sie aufgenommen.«
»Und jetzt ist sie ebenfalls tot.« Erneut meldete sich ihr schlechtes Gewissen. »Vielleicht bringe ich anderen Menschen ja Unglück.«
Gray zog Fiona enger an sich. »Ich habe bemerkt, wie sie Sie angesehen hat. Dass Sie in ihrem Leben erschienen sind, hat ein großes Glück für sie bedeutet. Sie hat Sie geliebt.«
»Ich … ich weiß.« Fiona wandte das Gesicht ab. Ihre Schultern bebten. Sie schluchzte lautlos.
Gray hielt sie umarmt. Schließlich barg sie das Gesicht an seiner Schulter. Auf einmal verspürte Gray Gewissensbisse. Grette war eine sehr großzügige Frau gewesen, beschützend und gefühlsbetont, freundlich und mitfühlend. Er trug eine Mitschuld an ihrem Tod. Wenn er vorsichtiger gewesen und die Ermittlung weniger leichtsinnig angegangen wäre …
Er hätte die Folgen seines Tuns für andere bedenken sollen.
Fiona schluchzte noch immer.
Möglicherweise wäre es auch ohne seine ungeschickten Nachforschungen zum Mord und zur Brandstiftung gekommen, doch Gray warf sich vor allem sein späteres Verhalten vor. Er hatte sich abgesetzt und Fiona dem Chaos und ihrem Schmerz überlassen. Sie hatte nach ihm gerufen – erst im Zorn, dann flehentlich.
Trotzdem war er nicht stehen geblieben.
»Jetzt habe ich niemanden mehr«, schluchzte Fiona an seiner Schulter.
»Sie haben mich.«
Fiona wich zurück. Ihre Augen waren gerötet. »Aber Sie werden mich doch auch im Stich lassen.«
»Nein, denn Sie werden mich begleiten.«
»Aber Sie haben doch gemeint …«
»Vergessen Sie, was ich gesagt habe.« Gray wusste, dass Fiona in Kopenhagen ihres Lebens nicht mehr sicher wäre. Man würde sie töten, entweder um an die Bibel heranzukommen oder um eine Zeugin zu beseitigen. Sie wusste zu viel. Und das galt auch noch für jemand anderen. »Sie haben gemeint, Sie hätten sich die Adresse von dem Kaufbeleg der Bibel eingeprägt.«
Fiona musterte ihn mit unverhohlenem Misstrauen. Sie hatte sich wieder gefasst und versuchte herauszubekommen, ob sein Mitgefühl nur vorgeschoben war, um ihr zu entlocken, was sie wusste. Gray hatte Verständnis dafür, denn schließlich war sie auf der Straße aufgewachsen.
Er drängte sie nicht weiter. »Ein Freund von mir kommt mit einem Privatjet her. Gegen Mitternacht soll er landen. Dann können wir uns mit ihm in Verbindung setzen und jedes beliebige Ziel anfliegen. Sie können mir an Bord sagen, was Sie wissen.« Er streckte die Hand aus und forderte sie wortlos zum Einschlagen auf.
Ein
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