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Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Titel: Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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erstellen lassen wollte, empfahl iTunes «Oops, I did it again» von Britney Spears. Ich bin mir nicht sicher, ob der Chili-Peppers-Sänger Anthony Kiedis das besonders «Genius» fände.
     
    Irgendwann wollte ich auch meine Mutter in die Bedienung von iTunes einweihen, damit sie sich «Liebe ohne Leiden» von Udo Jürgens herunterladen kann. (Bei der Gelegenheit wurde mir übrigens bewusst, dass der Ausdruck «kinderleicht» kein Kompliment für ein Computer-Programm ist. Kinder können am Rechner sowieso fast alles. «Elternleicht» – das wäre mal eine echte Auszeichnung!)
    «So, Mama, jetzt musst du nur noch diesen Knopf drücken, dann geht’s los», sagte ich.
    Meine Mutter nickte. «Na, dann machen wir das mal.»
    Sie ließ den Cursor über den Bildschirm gleiten. Doch statt bei ihrem Lieblingslied auf den «Jetzt kaufen»-Button zu klicken, blieb sie bei «Boogie Woogie Baby, do the Rock and Roll!» hängen – ohne Zweifel das musikalische Waterloo des Udo J.
    «Nein, Mama!», rief ich. «Das ist das falsche!»
    Aber meine Mutter lächelte mich an: «Nee, passt schon. ‹Boogie Woogie Baby› ist 30 Sekunden länger als ‹Liebe ohne Leiden› ! Da krieg ich mehr für meine 99 Cent!»
    Dann drückte sie auf den Knopf und lehnte sich triumphierend zurück.
     
    Das
nenn ich mal «Genius».

[zur Inhaltsübersicht]
HUNGERTINNITUS
    In meiner Familie hat die Nahrungsaufnahme immer eine sehr wichtige Rolle gespielt. Ich habe zwei ältere Brüder, da muss man schauen, wo man bleibt – vor allem, wenn es ums Essen geht. Bei drei dauerhungrigen Fleisch-Fans in der Familie ist es verständlich, dass meine Mutter sich beim Bau unseres Hauses eine Durchreiche zwischen Küche und Esszimmer gewünscht hat. Wenn das Mittagessen fertig war, riss sie einfach kurz die Türen der Durchreiche auf, warf die Speisen zu uns ins Esszimmer und machte die Türen schnell wieder zu. Was dann hinter diesen Türen geschah, kennen nur Menschen, die ebenfalls mit zwei Brüdern aufgewachsen sind oder öfter Haifisch-Dokus schauen.
    Ich halte es auch nach wie vor für einen besonders fiesen Spaß des ach so «lieben Gottes», dass er meinen Eltern drei Kinder gegeben hat und dem Brathähnchen nur zwei Keulen. Es herrschte bei uns immer Krieg um die besten Fleischstücke. Irgendwann konnten meine Eltern uns überreden, wenigstens ein Tischgebet zu sprechen, bevor die Schlacht ums Fleisch losging. Aber vor allem der Satz «Komm, Herr Jesus, sei unser Gast …» ging keinem von uns dreien je besonders überzeugend über die Lippen, da wir uns dachten: «Am Ende will der auch noch ’ne Keule!»
    Natürlich gab es bei uns immer genug zu essen. Vor allem beim Fleisch kam es uns aber nie so vor. Manche Leute erinnern sich ja heute noch daran, wie sie ihr erstes Werther’s Echte bekommen haben. Ich dagegen erinnere mich noch heute daran, wie ich zum ersten Mal den Satz «Nimm doch noch ein Stück!» gehört habe. Ich war bei meinem Schulfreund Thorsten eingeladen, ein Einzelkind mit reichen Eltern, die sogar ein Schwimmbad im Keller hatten. Die ganze Familie war sehr auf Fitness und ausgewogene Ernährung bedacht, und deshalb hatten sich alle schon nach dem ersten Stück Fleisch für satt erklärt, und Thorstens Mutter sagte mehr aus Höflichkeit diesen wunderbaren, unvergesslichen Satz zu mir: «Nimm doch noch ein Stück!»
    «Wie?», fragte ich, völlig verdattert. «Ein Stück Fleisch?»
    «Fleisch, Beilage, was immer du willst!»
    Ich pikste vorsichtig in ein dickes Stück Putenbrust und wartete darauf, dass Thorsten, wie meine Brüder es getan hätten, zu seinem Messer greift und mir das Fleisch mit den Worten: «Vergiss es, das gehört mir!» aus der Hand schlägt. Aber nichts dergleichen geschah. Alle anderen am Tisch rieben sich die Bäuche und prusteten satt vor sich hin. Ich aß also immer weiter und hörte erst auf, als Thorstens Mutter mich drauf hinwies, dass die grünen Stängel, die mir da aus dem Mund hingen, eigentlich zur Dekoration gehörten. Ich habe mich danach sehr oft bei Thorsten zum Essen eingeladen, bis seine Eltern ihm irgendwann sagten, dass sie, wenn ich weiterhin so viel bei ihnen äße, bald nicht mehr ganz so reich sein würden.
     
    Dieser tägliche Kampf um die Nahrung hat dazu geführt, dass ich heute an einer Krankheit leide, der in der Öffentlichkeit noch immer viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird: dem mangelernährungsbedingten Ohrenpfeifen oder kurz: Hunger-Tinnitus ( HT ). Es ist eine

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