Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0
und herzhaft lachen. Und wenn er dann die Stadt verklagen will – noch herzhafter lachen.
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BRUSTGESCHIRR !
Meine Brüder haben beide Kinder und erzählen mir oft Geschichten von anderen Eltern, die die Augenbrauen kritisch hochziehen und dabei Sätze sagen wie: «Ihr legt euren Jungen in einen Kinderwagen ohne doppelte Pneumatik-Federung? Puh …» Oder auch: «Sie ist vier und kann noch kein Wort Englisch? Na ja …» Dann verabschieden sich diese Eltern meistens schnell, und während sie mit der einen Hand noch winken, rufen sie mit der anderen schon das Jugendamt an.
Nach solchen Erzählungen habe ich meinen Brüdern immer breit ins Gesicht gelacht und gesagt: «Zum Glück hab ich keine Kinder, da muss ich mir so was nicht anhören!» Das war allerdings, bevor ich mir meinen Hund angeschafft habe.
Denn was ich nicht wusste: Hundebesitzer sind um Längen schlimmer als Eltern. Tag und Nacht analysieren sie auf städtischen Wiesen Verhaltensauffälligkeiten von Welpen, beurteilen Haltungsschäden von älteren Hunden, tauschen Kochrezepte für die beste Zubereitung frischen Pansens aus und laden zur deutschen Meisterschaft im «Dog Dancing» ein. Wer «Dog Dancing» nicht kennt: Das ist eine Sportart, bei der der Hund hüpft und springt und Pirouetten dreht, während das Frauchen – es ist eigentlich immer ein Frauchen – wild gestikuliert, schnalzt und pfeift. Quasi ein Peinlichkeits-Wettbewerb zwischen Mensch und Tier, den fast immer der Mensch gewinnt.
Zum Glück hat sich das Problem mit den anderen Hundebesitzern irgendwann von alleine gelöst. Ich hatte Bärbel gerade vier Wochen und stand mit ihr auf unserer Stamm-Wiese herum. Neben mir diskutierten andere Hundebesitzer die Vor- und Nachteile von Hodenimplantaten bei kastrierten Rüden. Irgendwann taxierte eine rüstige Mittsechzigerin mit viel Frisur und wenig Hund (Chihuahua-Mops-Mischung namens «Othello» mit strassbesetztem Brustgeschirr) erst Bärbel und dann mich, deutete mit ihrem üppig beringten Zeigefinger auf meinen Hund und quäkte: «Warum trägt die denn ein Halsband?»
Alle anderen Hundebesitzer verstummten sofort und rotteten sich unauffällig hinter der Alten zusammen. Anscheinend lag diese Frage ihnen allen schon lange auf den Lippen. Naiv, wie ich war, antwortete ich: «Na ja, Leine am Ohr festklipsen ist irgendwie komisch, oder?»
Unter den Hundebesitzern ertönte ein Raunen. Einer schob kurz seinen Kopf von hinten an der Frisur der Mittsechzigerin vorbei und bellte: «Brustgeschirr!»
Ich verstand noch immer nichts. «Sie müssen der ein Brustgeschirr anziehen! Sie reißen ihr doch sonst den Kopf ab!», klärte mich die Wortführerin auf.
In dem Moment wusste ich: Wenn ich es irgendwann schaffen wollte, für immer Ruhe vor diesem Trupp zu haben, dann jetzt. Ich schüttelte also entschieden den Kopf: «Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Bärbel und ich haben gestern erst ‹Flugzeug› gespielt. Kennen Sie ja: so mit der Leine ordentlich im Kreis rumwirbeln. Und Sie sehen ja, der Kopf ist immer noch dran!»
Alle schauten mich fassungslos an. Für einen Moment sah es so aus, als wollten sie mich mit brennenden Fackeln und Mistgabeln von der Hundewiese jagen. Doch da gerade weder Fackeln noch Mistgabeln zur Hand waren, wurde beschlossen, die Versammlung aufzulösen und mich ab sofort zu ignorieren.
Doch als ich kürzlich mal wieder auf dieser Hundewiese stand und die Einsamkeit genoss, während sich die Hundeversteher auf der Nachbarwiese drängten, näherte sich mir eine gutgelaunte und -genährte Blondine um die fünfzig. In der Hand hatte sie eine Flexi-Leine, an deren Ende ein sehr dicker Hund hing, der mit seiner Besitzerin um die Wette keuchte. «Huhu!», rief mir die Blondine zu und winkte freudig.
«Bleiben Sie weg, mein Hund trägt ein Halsband!», rief ich zurück. Doch sie lachte nur und antwortete in breitestem Kölsch: «Dat is nit schlimm. Han disch die Hunde-Nazis auch verstoßen?»
Ich nickte.
«Na dann: Willkommen bei den Hunde-Parias! Isch bin die Uschi aus Nippes, seit drei Jahren Persona non grata bei den Klugscheißern da drüben.»
Uschi streckte mir ihre Hand entgegen. Während ich sie schüttelte, fragte ich: «Und was habt ihr falsch gemacht?»
Uschi deutete auf ihren Hund: «Die finden, der Bobby hat nit die erforderlischen Modelmaße.»
Tatsächlich war Bobby von Modelmaßen weit entfernt. Eigentlich war er von jeder Art Maß weit entfernt. Er war ein Beagle,
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