Der Gesandte der Götter (German Edition)
einst so glückliche Volk mit Hilfe des Magiers zu knechten.
Unterdessen schmachtete der rechtmäßige König vier Jahre im Kerker seines Feindes. Doch die Götter hatten ihn nicht vergessen! Bei einem Zweikampf wurde der Feind getötet, und sein Nachfolger, der nicht wusste, wer der Gefangene war, schenkte diesem die Freiheit. Ungeduldig eilte der König, der nicht ahnte, wem er sein Unglück verdankte, heim in sein Reich. Niemand erkannte ihn, denn die Jahre im Kerker hatten ihn stark verändert. Voll Sehnsucht nach seiner Braut und nach seinem geliebten Bruder erreichte er das Schloss. Auch dort erkannte ihn niemand bis auf einen alten Diener, der den König von Geburt an gehegt hatte. Als er dann vor seinem Bruder stand, erkannte auch dieser ihn. Doch welches Entsetzen überkam den König, als der Bruder ihn, anstatt ihn zu umarmen, in den Kerker werfen ließ und ihm auch noch höhnisch das Schicksal seiner Braut beschrieb! Voll Spott verkündete der Bruder ihm, dass er vorhabe, auch ihn zu Tode zu quälen. Doch durch den Willen der Götter entkam der König ein zweites Mal dem Verrat seines Bruders und konnte sich in Sicherheit bringen.
Nun, Prinzessin, wie hat Euch die Geschichte gefallen?“
Loara hatte Chiron die ganze Zeit stumm zugehört. Sie war mit dem Essen fertig und saß locker zurückgelehnt in ihrem Sessel. Nun verzogen sich ihre Mundwinkel hochmütig nach unten.
„Ihr seid ein guter Märchenerzähler und solltet Euer Geld auf den Märkten verdienen“, spottete sie. „Nun wollt Ihr mir doch bestimmt weismachen, dass ihr König Chiron seid, der nach langer Abwesenheit plötzlich wieder aufgetaucht ist, und dass König Menas, mein Bräutigam, dieser Unhold von Bruder ist. Die Geschichte ist gut ausgedacht, und Ihr seid ein geschickter Betrüger. Ihr wollt wohl mit meiner Hilfe und mit mir als Druckmittel erreichen, dass man Euch für den verschollenen König hält und ihr die Macht an Euch bringen könnt.
Doch für mich war Eure Geschichte nicht gut genug! Zu Eurem Pech kenne ich Menas sehr gut. Er ist von sanftem Wesen und wäre zu solchen Taten niemals fähig. Außerdem hat er mir die ganze Geschichte vom Verschwinden seines Bruders erzählt. Er trauert noch heute um ihn, den er sehr geliebt haben muss. Und wenn ich erst Königin bin, werde ich auch den Magier zur Räson bringen, denn ich weiß, dass nicht alles hier im Reich in Ordnung ist. Doch das ist nicht Menas‘ Schuld! Er ist nur zu sanft und kann sich nicht gegen Xoras durchsetzen.
Ihr seht, ich bin recht gut im Bilde. Daher könnt Ihr kaum glauben, dass ich Euch diese Räubergeschichte abnehme.“
„Habt Ihr nicht den Diener gesehen, der bei unserer Ankunft die Pferde hielt?“ fuhr Chiron zornig auf. „Ihr müsst ihn im Schloss schon bemerkt haben. Er kann Euch bestätigen, dass ich Chiron bin, denn er hat mich und Menas großgezogen.“
Abwertend winkte Loara mit der Hand. „Wer kümmert sich um einen Diener und seine Meinung? Ihr werdet ihn bestochen haben, damit er Eure Geschichte bestätigt. Nicht Menas, Ihr seid der Unhold, der hilflose Frauen verschleppt! Euch würde ich eher zutrauen, was Ihr Menas in die Schuhe schieben wollt. Und was kümmert mich das Schicksal einer fremden Frau, von der Menas mir erzählt hat, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hat? Sie wollte ihn bewegen, sie zu heiraten, damit sie nicht als verschmähte Braut zu ihrem Vater zurückkehren musste, nachdem Chiron – wer weiß aus welchen Gründen – verschwunden war. Sie soll ja – im Gegensatz zu Eurer Aussage – ein unscheinbares Ding gewesen sein, obwohl Menas sie wohl wegen ihrer Herkunft doch geheiratet hätte, wäre sie nicht gestorben. Ich glaube nicht, dass Menas es nötig hat, bei einer Frau Gewalt anzuwenden, denn er ist ein schöner Mann. Die kleine Dirne wird es ihm wohl nicht schwer gemacht haben, da sie etwas bei ihm erreichen wollte, was er von sich aus nicht getan hätte.
Aber das alles geht mich nichts an! Das ist lange her. Mir gegenüber hat sich Menas stets als Ehrenmann benommen.“
In Chirons Augen loderten bei ihren Worten Flammen des Zorns auf. Das Blut schoss ihm in die Wangen und die Adern schwollen auf seiner Stirn.
„Gut, du kalte Schönheit!“ stieß er wild hervor. „So sollst du das Schicksal Daronas teilen, damit es dich etwas angeht!“
*****
Mit bleichem Gesicht stand der alte Ordin in der Halle und verkrampfte die Hände ineinander, als Loaras Schreie durch das Haus
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