Der Gesandte des Papstes
Ich reite aus.«
»Dann nimm mich mit.«
Raoul wusste, was der flehende Unterton zu bedeuten hatte. Für einen Augenblick erwog er, den Ausritt zu verschieben, doch dann blieb er bei seinem Entschluss. Er hasste es, wenn es so kam. Dabei hatte es so gut angefangen … so unbeschwert. Aber er hätte es wissen müssen, denn das Mädchen war erst siebzehn oder achtzehn, ein Alter, in dem man sich leicht verliebte. »Es ist Sonntag. Hast du niemanden, der auf dich wartet?«
»Es ist mir egal, wer auf mich wartet. Ich will bei dir bleiben.«
»Du gibst nicht so leicht auf, wie?« Er setzte sich auf den Hocker und begann, seine Stiefel anzuziehen. Plötzlich spürte er eine Hand, die durch sein Haar fuhr. Die junge Frau setzte sich, nackt wie sie war, auf seinen Schoß und nahm sein Gesicht in die Hände. Sie lächelte spöttisch.
»Was ich heute Nacht getan habe, kann ich wieder tun. Oder reichen dafür Eure Kräfte nicht aus, mein Gebieter?«
Unwillkürlich musste er lachen. Wenigstens versuchte sie es nicht mit Tränen und Vorwürfen. »Mit meinen Kräften ist alles in Ordnung. Pass auf!« Er schob ihr einen Arm unter die Beine, hob sie hoch und warf sie aufs Bett, wo sie kreischend landete. Dann warf er sich mit halb angezogenen Stiefeln auf sie, und Gelächter und Geschrei erfüllten das Zimmer, als sie miteinander rangelten.
Sie alberten eine Weile herum, doch Raoul achtete darauf, dass nicht mehr daraus wurde. Als er genug hatte, setzte er sich auf und suchte seinen linken Stiefel, der während der Rauferei in den Kissen verloren gegangen war. Das Mädchen kauerte am Kopfteil des Bettes und zog die Decke zum Kinn. Es beobachtete jede seiner Bewegungen.
»Versprich mir, dass wir uns wiedersehen.«
Raoul blickte aus dem Fenster. Die Sonne beschien die Hänge hinter dem Anwesen, die Felsen auf den Hügelkämmen, die Tannen und Fichten und vertrieb allmählich die Kälte. Es war ein schöner Tag, zu schön für Tränen und gebrochene Herzen, und er wollte, dass es so blieb. Der Preis dafür war eine Lüge, aber was sollte er anderes tun? Er hatte der jungen Frau niemals etwas anderes in Aussicht gestellt als diese eine Nacht. Wenn sie sich mehr erhoffte … nun, dann war es ihre eigene Schuld. Man konnte ihm höchstens vorwerfen, dass sie zu jung war - wenngleich es ihr nicht gerade an Erfahrung mangelte.
Warum, bei allen Höllen, musste sie ihn nur in diese Lage bringen? Hätte sie die Nacht nicht einfach genießen und dann nach Hause gehen können?
Schließlich sagte er: »Versprochen.«
Sie fiel ihm um den Hals, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und begann endlich, sich anzuziehen.
Kurz darauf führte Raoul sie aus dem Zimmer über die schmale Holztreppe hinunter zum Vorhof aus gestampfter Erde. Das
Wohnhaus war das einzige Gebäude von Bazerat, das - abgesehen vom hölzernen Dach und der Treppe - vollständig aus Stein bestand. Im Erdgeschoss waren die Unterkünfte des Gesindes, verschiedene Werkstätten und Lagerräume für das Feuerholz untergebracht. Im Obergeschoss wohnten die Mitglieder der Familie: Raoul, Jacques und Lysanne sowie deren Söhne, Gerard und Jean. Die Wände waren über zwei Ellen dick, die Fenster schmal, und außer der Holztreppe hatte der obere Stock keine Zugänge. Bazerat war in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte noch nie angegriffen worden, aber sollte es einmal dazu kommen, würden sich die Familie, die elfköpfige Gesindeschar und die drei Waffenknechte in das leicht zu verteidigende Haus zurückziehen. Der Saal hinter der Eingangstür bot genug Platz für alle.
Die übrigen Gebäude umstanden den Platz: Blaises Haus, die nagelneue Kornkammer auf fünf mannshohen Balken (die alte war im vergangenen Jahr vom Blitz getroffen worden, glücklicherweise bevor sie gefüllt worden war), die Küche, deren Kamin dünne Rauchschwaden in den Morgenhimmel entließ, der Pferdestall, hinter dem, verborgen unter dichten Brombeerhecken, der Bach floss. Für einen Ringwall und die Männer, die zur Verteidigung einer solchen Anlage notwendig gewesen wären, hatte die Familie kein Geld; also umgab lediglich ein hölzerner Zaun aus angespitzten Pflöcken das Landgut.
Bazerat lag in einem Seitental des Seilletals, zwei Wegstunden südlich von Metz, der Hauptstadt des Herzogtums Oberlothringen. Einige Täler weiter westlich gehörten bereits zur französischen Krone. Es war eine liebliche Gegend mit ausgedehnten Wäldern und Weinbergen an den Hängen der felsigen Hügel zwischen
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