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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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denke, er ist mächtig stolz auf ihn. Seit
ein paar Monaten trifft Ewan sich auch mit einem sehr netten Mädchen. Ich
müsste mich sehr täuschen, wenn ich da nicht schon die Hochzeitsglocken in der
Ferne höre – aber Ewan lässt sich auch dabei ordentlich Zeit. Er hat noch nie
etwas überstürzt.«
    Sie sah ihn neugierig an. »Jetzt habe ich aber genug von Ewan
erzählt – wie geht es dir? Ist bei dir ein Mädchen in Sicht? Oder … hast du
etwa schon geheiratet?«
    Â»Nein«, winkte John ab. »Es gibt da ein Mädchen, sicher. Aber ich
fürchte, ihre Eltern würden in den Hochzeitsglocken ein Geräusch direkt aus der
Hölle hören.« Er lachte. »Da muss ich wohl noch ein bisschen Überzeugungsarbeit
leisten, bis sie mich akzeptieren.«
    Â»Und was machst du? Wie ist es dir ergangen? Das letzte Mal, als wir
uns gesehen haben, ging es dir nicht so gut wie heute …« Fiona sah ihn neugierig
an.
    Â»Ich habe ein paar Jahre in Auckland gearbeitet, bei einem großen
Obst-, Gemüse- und Fleischhändler. Jetzt suche ich etwas Neues hier in Christchurch.
Allerdings etwas, wo ich mir sicher sein kann, dass ich meinen Ziehvater nicht
sehen muss. Eigentlich will ich ihn überhaupt nicht mehr sehen, ich habe heute
nur darauf gehofft, Ewan zu treffen.« Er lächelte verlegen. »Ich weiß, ich habe
mich lange nicht gemeldet, aber ich habe trotzdem oft an euch gedacht.«
    Â»Dein Bruder und dein Vater haben es eher vermieden, von dir zu
sprechen. Wenn jemand fragt, dann erzählen sie immer, dass du haltlos über die
verschiedenen Inseln des Pazifiks irrst. Kein Tresen sei vor dir sicher … Und
wenn ich mich daran erinnere, wie du bei unserem letzten Treffen ausgesehen
hast – damals hatte ich das Gefühl, dass sie nicht so weit entfernt von der
Wahrheit lagen …« Sie lächelte entschuldigend.
    Â»Ich trinke schon seit ein paar Jahren nichts mehr«, erklärte John.
»Offensichtlich gehöre ich zu den Menschen, die damit nicht sonderlich gut umgehen
können. Also halte ich mich heute nur an einer starken Tasse Tee fest.« Er
stand auf und stellte seine Tasse ordentlich in die Spüle. »Ich gehe dann
lieber, es hat ja keinen Sinn, auf Ewan zu warten. Vor allem, wenn er mit Vater
hier auftaucht …«
    Ohne über die Vertraulichkeit dieser Geste auch nur einen Augenblick
nachzudenken, legte Fiona ihm eine Hand auf den Arm. »John, verschwinde nicht
einfach wieder aus unserem Leben. Gib mir eine Adresse, unter der ich dich
erreichen kann, ich bitte dich. Was, wenn Ewan etwas passiert? Du würdest es
dir nie verzeihen, wenn du davon erst Wochen nach der Beerdigung erfahren
würdest!«
    Â»Ich möchte aber weder meinen Bruder noch meinen Vater sehen!«,
erklärte John mit einem störrischen Unterton.
    Â»Keine Sorge, ich werde ihnen nichts davon sagen, dass ich Kontakt
zu dir habe. Sie können weiter die Geschichte von dem Trunkenbold erzählen, ich
weiß es besser und schweige fein zu den Lügen. Bitte, vertraue mir!« Sie nahm
die Hand nicht von seinem Arm, während sie auf seine Antwort wartete.
    Â»Warum hast du uns nie vor seinen Schlägen bewahrt?«, brach es mit
einem Mal aus John heraus. »Warum hast du schweigend zugesehen, wenn George
Cavanagh seine Launen an uns ausgelassen hat?«
    Sie breitete die Arme aus. »Was hätte ich denn tun sol-len? Mich
zwischen seine Schläge und euch werfen? Das hätte ihn nur noch wütender
gemacht. Nein, ich konnte euch nur eine heiße Schokolade machen, um euch
nachher zu trösten, mehr zu tun war mir nicht möglich. Bitte verzeih …« Immer
noch sah sie ihn flehend an. Er spürte, wie er weich wurde.
    Â»Ich habe mir heute Morgen eine kleine Wohnung gemietet«, fing er
an. »Wenn du mich erreichen willst, dann wohl unter dieser Adresse. Aber melde
dich nur, wenn es wirklich wichtig ist, hörst du? Eine Grippe meines Ziehvaters
interessiert mich nicht.« Er reichte ihr den Zettel, auf dem er am Vortag die
Adresse der Wohnung notiert hatte.
    Fiona faltete ihn sorgfältig zusammen und steckte ihn in ihre
Schürzentasche wie einen kleinen Schatz. »Ich werde dein Vertrauen nicht
missbrauchen, das musst du mir glauben!«
    Damit machte John sich endgültig auf den Weg zurück in die Stadt.
Insgeheim war er sich nicht sicher, ob er überhaupt jemals mit einem Brief

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