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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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dass Neuseeland eines
der reichsten Länder der Erde sei. Keine Arbeitslosigkeit, viel Land, Wohlstand
für alle … Ich habe nicht lange nachgedacht, sondern schon am nächsten Tag unterschrieben.
Eine Stelle als Schneiderin in Wellington. Mein neuer Arbeitgeber zahlt sogar
diese Schiffspassage, ich musste mich dafür allerdings für drei Jahre
verpflichten. Als ich die Entscheidung getroffen habe, erschien mir alles
richtig. Jetzt fürchte ich manchmal, mich selbst in eine Sträflingskolonie
verbannt zu haben …«
    Â»Halt!«, wandte John ein. »Da verwechseln Sie Neuseeland mit
Australien! Wir sind stolz darauf, dass wir nie nur ein großes
Freilandgefängnis waren, wie es Australien einmal war.«
    Â»Ich weiß.« Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ich habe
meine Geschichtsbücher über die Kolonien gelesen. Aber trotzdem: Was, wenn
meine Entscheidung eine völlig falsche war? Wenn ich aus einer Laune heraus
meine Zukunft zerstört habe?«
    Â»Ich weiß nicht, wie Sie sich Ihre Zukunft vorstellen«, fing John
vorsichtig an. »Aber Neuseeland ist normalerweise kein Land, in dem man alle Hoffnung
begraben muss. Im Gegenteil: Mit der richtigen Idee können Sie bei uns einfach
alles machen. Es gibt keine Regeln – außer der einen: Tu es einfach!«
    Â»Das ist nett, dass Sie das sagen.« Die Frau ging die wenigen
Schritte zur Reling und sah nach unten auf die Bugwelle. »Ich wollte Sie auch
nicht mit meinen langweiligen Sorgen behelligen. Aber hin und wieder werden die
Gedanken einfach übermächtig, dann reicht mir mein Tagebuch nicht mehr als
Gesprächspartner.«
    Â»Wen haben Sie denn in Hamburg zurückgelassen?« John merkte, dass er
mit dieser Frage zu weit gegangen war. Sie stand plötzlich eine Spur steifer
da, der Klang ihrer Stimme war ein wenig kühler. »Das muss Sie nicht
interessieren.«
    John nickte und erhob sich von seinem Platz. »Ich muss jetzt ohnehin
wieder in den Maschinenraum. Ich hoffe, wir treffen uns wieder …«
    Sie nickte. »Bestimmt. Wir sind ja noch einige Zeit zusammen auf
diesem Schiff.«
    Er winkte ihr verhalten zu und verschwand durch eine Tür zu den
steilen Treppen, die in den Bauch des großen Frachters führten. Sicherlich
musste er sich längst wieder um die Schmierung der Maschinen kümmern. Während
der harten Arbeit ging ihm die Frau mit dem Pferdeschwanz trotzdem nicht aus
dem Kopf. Was hatte sie so kühl und unnahbar gemacht?
    Es vergingen noch einmal einige Tage, bevor der Frachter in Salala
anlegte, um neuen Treibstoff, Wasser, Verpflegung und natürlich auch Fracht
aufzunehmen. Dafür waren zwei Tage Aufenthalt vorgesehen. Der Maat nahm John
beiseite. »Du wirst als Schmierer nicht gebraucht, während wir hier vor Anker
liegen. Wenn du willst, kannst du dir Salala ansehen – aber pass auf: Für die
Einheimischen bist du ein willkommenes Opfer, die freuen sich, wenn sie
jemanden wie dich ausnehmen können. Oder ihm ein echtes Schnäppchen verkaufen
…«
    Â»Danke für die Warnung!«, lachte John. »Ich werde mich wohl zu
wehren wissen …«
    Am frühen Nachmittag machte er sich auf den Weg. Doch gerade als er
einen Fuß auf die Gangway setzen wollte, tauchte die geheimnisvolle junge Frau
auf.
    Â»Nehmen Sie mich mit?«, fragte sie ohne Umschweife.
    Er sah sie überrascht an. »Was ist los? Plötzlich ganz wild auf
meine Unterhaltung?« Er lachte – schließlich hatte er nichts gegen die
Begleitung.
    Â»Nein«, gab sie zu. »Aber ohne männliche Begleitung soll eine Frau
nicht in die Altstadt oder auf den Al-Husn-Basar gehen. Eigentlich sollte eine
Frau nirgendwo hingehen. Ich möchte aber nicht zwei Tage lang in Salala sein
und von der Stadt nichts anderes sehen als nur die Hafenmauer.«
    Â»Und ich bin das kleinste Übel, das Sie finden konnten?« Jetzt
musste John wirklich lachen.
    Â»Ja. Haben Sie die anderen Passagiere gesehen? Die erzählen sich
gegenseitig nur, wie großartig sie in der neuen Welt zurechtkommen werden. In
ihrer Phantasie sind sie schon Millionäre. Mindestens.« Sie seufzte. »Und immer
wieder probieren die drei ihren umwerfenden Charme an mir aus. Kein Wunder, es
gibt ja kein anderes Opfer außer mir! Sie haben wenigstens bisher nicht
versucht, mich um den Finger zu wickeln.«
    Â»Sie wirken auf mich auch nicht wie eine

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