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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Jahrhunderten die Männer ihr Leben aufs Spiel
setzten und dabei entweder zu Reichtum kamen oder ihr Leben verloren. Kein
Grund, einen großen Wirbel zu veranstalten.
    Als sie in Singapur anlegten, verhieß der tief hängende Himmel eine
Abkühlung, die nicht kommen wollte. Es war unerträglich schwül und heiß, die
Kleidung klebte bei der geringsten Bewegung feucht und unangenehm auf der Haut.
Trotzdem war John wild entschlossen, sich auch diese Stadt ein wenig genauer
anzusehen – und wieder schloss Inge sich ihm an, kaum dass er seinen Fuß auf
feste Erde gesetzt hatte. Sie klopfte auf die Tasche ihrer dünnen Jacke.
»Diesmal habe ich ein paar Singapur-Dollars dabei – ich lade dich also ein. Der
Kapitän konnte mir ein paar davon für meine Deutschen Mark geben. Und hat mit
Tipps nicht gespart.« Sie deutete in eine Richtung. »Hier müssen irgendwo die
alte Chinatown und Little India liegen. Er meinte, dort fänden sich auch die
Stände mit den kleinen Garküchen mitten auf der Straße, und hat mir erzählt,
dass er selten besser gegessen habe als bei diesen Straßenköchen.«
    John spürte zu seiner Überraschung einen winzigen Anflug von
Eifersucht auf seinen Kapitän. Wie konnte er nur all seinen Matrosen den
Kontakt mit den weiblichen Passagieren verbieten und gleichzeitig selbst mit
dem einzigen Exemplar an Bord über die Schönheiten von Singapur sprechen? Andererseits
war er es, John, der mit Inge in Richtung Chinatown lief – und nicht der alte
Kapitän mit seinen langweiligen Ratschlägen …
    Tatsächlich tauchten die beiden wenig später in ein Stadtviertel mit
engen, verwinkelten Gassen ein. Dunkelhäutige Frauen mit leuchtend bunten Saris
sahen sie aus finsteren Türeingängen an und huschten vorbei, ein Geruch nach
Curry und gebratenem Fleisch hing in der Luft. Ein Teil der Männer trug große
Turbane, an einer Ecke stand ein Tempel, auf dem sich unzählige bunte Figuren
drängten.
    Â»Das ist wohl ein hinduistischer Tempel«, erklärte Inge. »Der
Kapitän hat mir erzählt, dass ich hier in Little India sicher ein paar sehen
würde. In Chinatown sind es dann eher buddhistische Tempel …« Sie sah sich die
Front des hinduistischen Tempels genau an. Als eine Frau am Tor einladend
winkte, ließen sich weder Inge noch John lange bitten. Wann würden sie in ihrem
Leben schon noch einmal die Chance haben, einen solchen Tempel zu besichtigen?
Das Innere war dann allerdings eher enttäuschend. Ein paar Statuen – und
ansonsten nur ein gekachelter Boden und Wände in zartem Pastellgrün.
    John neigte sich zu Inges Ohr und flüsterte ihr zu: »Hat ein
bisschen den Charme eines Wartezimmers beim Arzt.«
    Inge knuffte ihm in die Seite. »Ein bisschen mehr Respekt vor
fremden Religionen, wenn ich bitten darf!«
    Bei dieser Art von Vertraulichkeit sahen sie sofort zwei oder drei
Männer strafend an. Inge und John nickten noch einmal freundlich in alle
Richtungen, legten die Hände zum Abschied aneinander, wie sie es bei den
anderen gesehen hatten, und verließen den Tempel wieder. Mit großen Augen
gingen sie an den Kesselflickern, den Färbern und den Gewürzhändlern vorbei.
Inge seufzte. »Ich würde einfach zu gerne noch mehr einkaufen … aber ich habe
das Gefühl, mein Koffer ist jetzt schon voll von meinen Einkäufen aus Salala.«
    Â»So viel war es doch gar nicht. Die paar Tütchen voller Gewürze
können doch nicht so viel Platz beanspruchen«, beruhigte John sie. »Es sei
denn, Du hast wirklich einen besonders winzigen Koffer.« John deutete auf einen
kleinen Platz, auf dem sich eine Garküche an die andere drängte. Über den
einfachen Bänken waren Segeltücher gespannt. »Dort drüben können wir versuchen,
wie das Essen mit diesen Gewürzen schmeckt! Komm, wir schauen uns das mal an!«
    In kleinen Töpfen schwammen Gemüse und Hühnchen oder anderes Fleisch
in gelben, roten oder grünlichen Soßen. Die Köche priesen mit vielen Gesten
ihre Schätze an – wenn es stimmte, was Inge und John an einem Stand verstanden,
dann war es wohl tatsächlich Schlangenfleisch, was da auf einen mutigen Esser
wartete. Dazu weißer, duftender Reis oder gebratene Nudeln, Chilis und haufenweise
frische, grüne, wohlriechende Kräuter. Endlich sahen die beiden einen Stand,
bei dem Streifen

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