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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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für einen Arbeit
suchenden Matrosen habt. Ich würde gerne wieder in die Heimat …«
    Der Mann ließ ihn nicht einmal ausreden. »Das trifft sich gut! Einer
unserer Matrosen hat sich in eins der Hamburger Mädchen verliebt und will erst
einmal an Land bleiben. Und das sagt der Bursche uns am Tag vorm Ablegen! Da
könnten wir dich als Ersatz also verdammt gut brauchen!« Er winkte eilig einen
höheren Offizier heran.
    Â»Douglas, der Mann behauptet, dass er uns helfen kann. Könnte der
nicht die Stelle von Wilson besetzen?« Und etwas leiser fügte er hinzu: »Bedenken
Sie, wir brauchen dringend noch ein Paar Hände mehr!«
    Der Offizier sah sich John genauer an. In seinem Gesicht war
Misstrauen zu sehen. Aber zum Glück schien auch ihm sehr daran gelegen, den
vakanten Posten zu besetzen. »Und du kennst dich wirklich mit Frachtern aus?«
    John nickte. »Ich bin mit dem Gewerbe groß geworden, ich glaube, ich
war öfter auf Schiffen als in irgendeiner Schule. Ich bin kein Kapitän – aber
ich denke, die meisten anderen Arbeiten kann ich erledigen.«
    Â»Dann bist du uns willkommen. Lass dich von Pearson auf die Liste
nehmen. Wir stechen morgen früh in See!«
    Eine knappe Stunde später stand John ohne seinen Seesack wieder auf
dem Kai. Der lag sorgfältig verstaut unter einem schmalen, sauberen Bett in
einer Nische der Mannschaftsunterkunft. Der Raum war nicht mit dem Drecksloch
auf der Pacific Maiden zu vergleichen. Es war zwar immer noch eng, aber trotz
allem ordentlich. Und die Toiletten bestanden nicht nur aus Eimern, sondern aus
richtigen sanitären Anlagen, die diesen Namen auch verdienten. John war sich
sicher, eine gute Entscheidung gefällt zu haben.
    Aber wo sollte er jetzt seinen letzten Abend auf deutschem Boden
verbringen? Zögernd sah er sich um. In einer der Kneipen auf der Reeperbahn?
Eine warnende Stimme in seinem Kopf riet ihm davon ab. Kurz entschlossen lief
er schließlich in Richtung seiner ersten Unterkunft los. Frau Heidekamp würde
sich sicher über ein bisschen Gesellschaft freuen. Vielleicht konnte er so ein
wenig ihren Schmerz über den verlorenen Sohn lindern. Und die Frau hatte ihm in
der kurzen Zeit, die er hier in Hamburg verbracht hatte, mehr mütterliche
Zuwendung entgegengebracht, als es seine Mutter bei der flüchtigen Begegnung in
Berlin hätte tun können.
    Und tatsächlich bereitete ihm die blonde Hanseatin einen warmen
Empfang. Sie kochte ihm einen echten Kaffee, holte sogar ein paar Kekse aus
ihrer Vorratskammer und ließ sich dann von ihm seine Abenteuer in allen
Einzelheiten beschreiben. Als John endlich endete, wiegte sie nachdenklich den
Kopf.
    Â»Ich weiß nicht, ob du da die beste Entscheidung für deine Mutter
gefällt hast. Es könnte doch sein, dass sie sich über ein Wiedersehen mit dir
trotzdem gefreut hätte. Vielleicht liegt sie jede Nacht wach und fragt sich,
was aus dir geworden ist. Vielleicht nicht vor den Augen ihres neuen Mannes
oder deiner Halbschwester – aber ich glaube durchaus, dass sie dich gerne
gesehen hätte …«
    Fast trotzig schüttelte John den Kopf. »Ich hätte ihr nur das Leben
zerstört, das sie sich so mühsam aufgebaut hat. Nein, wenn sie ihre
Vergangenheit in Neuseeland vergessen will, dann möchte ich nicht derjenige
sein, der ihr unliebsame Erinnerungen mit aller Gewalt aufdrängt. Außerdem habe
ich wieder auf einem Frachter angeheuert. Morgen steche ich in See, fahre
endlich wieder zurück nach Neuseeland. Hier habe ich nichts mehr verloren.«
    Â»Ob du diese Entscheidung nicht eines Tages bereust?« Frau Heidekamp
zweifelte ganz offensichtlich an Johns Haltung. Aber sie spürte seinen Widerwillen,
weiter über seinen Entschluss zu reden. Also bemühte sie sich um ein
fröhlicheres Gesicht. »Was hast du denn vor in Neuseeland? Welche Pläne hast
du?«
    John schwieg. Er wollte nicht zugeben, dass er nicht einmal eine
Ahnung davon hatte, was er in Neuseeland eigentlich wollte. Also zuckte er
verlegen mit den Achseln. »Meinen kleinen Bruder wiedersehen, nehme ich mal an.
Dann schaue ich, was für einen Job ich übernehmen kann. Möglichst weit weg von
meinem Ziehvater, wenn es nach mir geht.«
    Frau Heidekamp runzelte ein wenig die Stirn. »Ein bisschen mehr
Vorstellung von dem, was du mit deinem Leben anstellen möchtest, solltest du
schon haben! Wenn man nicht

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