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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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seiner Tochter
vorstellen? Er ärgerte sich, dass er nicht früher auf diese Idee gekommen war.
    Â»Chef?« John stand mit einem Mal vor ihm und riss ihn aus seinen
Gedanken.
    Â»Ja, was kann ich für dich tun?« Der Vorarbeiter war überrascht. Bis
jetzt hatte John noch nie das Wort an ihn gerichtet.
    Â»Ich hätte eine Bitte. Wegen meines Namens: Bei Ihnen bin ich noch
als John Cavanagh eingetragen, aber das möchte ich ändern. Könnten Sie mich
bitte künftig als John Erhardt führen?«
    Â»Sicher kann ich das. Aber warum möchtest du deinen Namen ändern?«
Der Vorarbeiter war ehrlich überrascht.
    Â»Erhardt ist der Name meiner Mutter. Sie war deutschen Ursprungs,
starb früh, und ich möchte sie mit diesem Namen etwas mehr in mein Leben holen.
Ist das in Ordnung?« So wie John die Frage formulierte, klang es eher nach
einem Befehl als nach einer Bitte. Aber der Vorarbeiter fand die Frage
irgendwie sympathisch. Wer konnte schon etwas dagegen haben, dass ein Arbeiter
seine Mutter ehren wollte? Außerdem trug wohl so mancher seiner Arbeiter nicht
mehr seinen Geburtsnamen – aus welchen dubiosen Gründen auch immer.
    Â»Kein Problem. Dann also künftig: Mr. Erhardt!« John nickte nur und
ging wieder zurück zu seiner Arbeit. Ganz so, als sei es das Normalste der
Welt, seinen Namen zu ändern. Er war zufrieden. So würden ihn in Zukunft seine
Kollegen in Ruhe lassen. Und sollte sein Ziehvater jemals auf die Idee kommen,
nach ihm suchen zu lassen, dann würden seine Bemühungen ebenfalls ohne Ergebnis
bleiben.
    Diesmal ging John nach der Arbeit nur nach Hause, um eine kurze
Dusche zu nehmen. Dann zog er eine frisch gewaschene Hose und ein sauberes Hemd
an. Beim ersten Friseur blieb er stehen und spähte durch das Fenster. Ältere
Herren und grauhaarige Damen erhielten hier Haarschnitte, die wahrscheinlich
vor zehn oder zwanzig Jahren modern waren. Die Angestellten sahen nicht so aus,
als ob sie irgendeine Ahnung davon hatten, was er suchte. Es dauerte ein
Weilchen, bis er endlich ein Geschäft fand, in dem auch jüngere Kundschaft
auftauchte. Er versuchte, möglichst lässig zu wirken, als er es betrat.
    Â»Sie wünschen?« Ein geschäftsmäßig dreinblickendes Mädchen sah ihn
erwartungsvoll an.
    Â»Ich hätte gerne etwas Moderneres.« John deutete auf seine Haare.
»Ich habe da bei ein paar Männern so eine Frisur gesehen. Hinten kurz und …«
Über seiner Stirn deutete er eine schwungvolle Bewegung an.
    Sie zog eine Braue nach oben, während sie ihn belustigt musterte.
»Dann werden Sie auch etwas Neues zum Anziehen brauchen. Aber den Haarschnitt
kann ich Ihnen schon einmal verpassen. Bei mir werden Sie ein echter Bodgie.«
    Damit griff sie zur Schere und fiel über Johns halblange blonde
Haare her. Es dauerte nicht lange, und im Nacken waren sie sorgfältig
ausrasiert, über der Stirn lag eine große Locke. Leider waren seine Haare so
glatt, dass sie nur mit viel Brillantine eine Tolle formen konnte. Als sie
endlich fertig war, trat sie zurück. »Jetzt noch eine neue Hose und eine
Lederjacke, und dem Ärger steht nichts mehr im Weg! Und du solltest über etwas
längere Koteletten nachdenken, damit sich die Sache auch wirklich lohnt.«
    John fragte lieber nicht nach, was sie damit genau meinte, und
machte sich auf den Weg zur Milkbar. Er sah mit einem Mal aber auch die
verächtlichen Blicke der älteren Männer, hörte die abschätzigen Bemerkungen der
Frauen und bemerkte sogar, dass der eine oder andere schnell die Straßenseite
wechselte. Der Ruf dieser Bodgies war offensichtlich bei vielen Neuseeländern
nicht der beste. Als John endlich die Milkbar erreichte, wünschte er sich fast,
eine Mütze mitgenommen zu haben. Dann würde er auf der Straße nicht so sehr
auffallen …
    Als er die Tür öffnete, ertönte allerdings lauter Applaus. Maureen
rannte auf ihn zu, umarmte ihn und verkündete allen anderen mit gespieltem
Ernst: »Darf ich euch den neuen John vorstellen? Immerhin hat er den ersten
Schritt in ein neues Leben gewagt!«
    Die anderen stimmten in den Applaus ein. Bis Stuart einen Schritt
zurück machte, ihn noch einmal musterte und dann meinte: »Jetzt wären neue Hosen
und eine Lederjacke alles, was du noch brauchst, um ein echter Bodgie zu
werden!«
    John konnte seine Neugier nicht mehr bezähmen: »Was ist

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