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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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alles, was ich
euch erlaubt habe. Sei dankbar und such weiter nach einem passenden Mann für
dich. Der hier gehört mir.«
    Eine Sekunde lang sahen sich die beiden jungen Frauen in die Augen.
Ein unsichtbares Kräftemessen, das erst endete, als die Sommersprossige die
Augen niederschlug und sich zum Gehen umdrehte. Maureen wandte sich wieder John
zu. »Wie sieht es aus? Kommst du?«
    Ohne lange nachzudenken, schüttelte John den Kopf. »Ihr habt um
etwas gekämpft, das nicht zur Verfügung steht. Ich bin nicht auf der Suche nach
Begleitung. Nicht einmal für eine Stunde.«
    Â»Das war kein Kampf. Wenn ich kämpfe, nehme ich ein Messer«, stellte
Maureen schlicht fest. »Und du bist dir hoffentlich klar darüber, dass du ein
schrecklicher Spielverderber bist. Was ist schon dabei? Sex ist kostenlos und
heutzutage auch folgenlos. Wir sollten dankbar sein, dass es so etwas gibt. Im
Gegensatz zu Bier macht es sogar nicht einmal dick.«
    Sie nahm ihm sein Bierglas aus der Hand, trank einen großen Schluck
und drückte ihm dann das nur noch halb gefüllte Glas wieder in die Hand. Sie tätschelte
seinen Oberarm. »Trink noch ein paar, vielleicht änderst du ja dann deine
Meinung. Wenn ich bis dahin allerdings etwas Besse-res als dich gefunden habe,
hast du eben Pech gehabt.«
    Mit wiegenden Hüften ging sie zurück an die Bar. John kam sie vor
wie ein Raubtier, das nach neuer Beute Ausschau hielt. Ob sie die Bemerkung mit
dem Messer ernst gemeint hatte? Waren seine neuen Freunde womöglich bewaffnet?
Und – waren sie wirklich rücksichtslos genug, um diese Waffen auch einzusetzen?
Er schüttelte den Kopf.
    John trank sein Bier in wenigen Schlucken leer, besorgte sich ein
weiteres und verschwand wieder auf die Tanzfläche. Die Sommersprossige lächelte
ihm zwar von ihrer Seite der Tanzfläche aus zu, kam aber nicht mehr in seine
Nähe. Maureen musste einen bestimmten Ruf haben. Und der hatte nichts mit
Friedfertigkeit zu tun, wenn John das richtig beobachtet hatte.

AUCKLAND, NOVEMBER 1954

    11.
    Â»Wenn du weiter so
unpünktlich hier auftauchst, dann brauchst du überhaupt nicht mehr herzukommen!«
Der Vorarbeiter schrie John direkt ins Gesicht. »Das geht jetzt seit Monaten
so. Erst diese lächerliche Frisur, dann die albernen Klamotten – und jetzt bist
du auch noch zu lässig, um vor der Mittagspause hier aufzukreuzen. Wenn du bis
spät in die Nacht mit deiner Gang durch irgendwelche Bars ziehst und nur noch
Rock’n’Roll hörst, dann ist das dein Problem. Ich erwarte aber von dir, dass
du rechtzeitig bei der Arbeit erscheinst. Okay?«
    John trat einen Schritt zurück. Ihm
tat der Kopf weh. Er hätte gestern wohl doch nichts Selbstgebranntes von Stuart
annehmen sollen. Hatte er angeblich günstig von einem Freund erstanden und
hatte wirklich scheußlich geschmeckt. Jetzt fühlte sich seine Zunge wie ein
Stück Hartgummi in seinem Mund an. Ekelhaft. Probeweise fuhr er mit der Zunge
über seine Zähne. Hätte er vielleicht auch mal wieder putzen sollen. Der
Vorarbeiter hatte seine Schimpftirade beendet und sah John jetzt abwartend an.
Offensichtlich wartete er auf eine Antwort. Leider fiel John in diesem Moment
gerade keine ein. Sein Hirn lag wohl immer noch im Tiefschlaf. Es fühlte sich
an wie hinter einem dichten Nebel.
    Mit einem tiefen Seufzer schüttelte der Vorarbeiter den Kopf. »Und
dir fällt überhaupt nichts ein, was du dazu sagen könntest, Erhardt? Überhaupt,
seit du diesen albernen Namen angenommen hast, bist du eigentlich nichts mehr
wert. Ich wünsche mir wirklich den alten John Cavanagh zurück. Den hätte ich
sogar meiner Tochter vorgestellt. Jetzt würde ich alles tun, damit sie sich von
Leuten wie dir fernhält.«
    Â»Dann sollte ich dich wohl von meiner Anwesenheit erlösen«, murmelte
John. Er merkte selbst, dass er ein bisschen nuschelte. Der Schnaps von gestern
forderte seinen Tribut. »Ich gehe. Das erspart dir die Kündigung.«
    Â»Junge, du schmeißt dein Leben weg!« Der Vorarbeiter hatte Mitleid
im Blick. »Ich wünsche dir viel Glück. Vielleicht wendet sich für dich doch
noch alles zum Guten.« Er hob seine Hand zum Abschiedsgruß und wandte sich dann
wieder seiner Arbeit zu.
    John stand einen Augenblick lang bewegungslos herum. Er begriff erst
allmählich, dass es ihm jetzt wie seinen Freunden von der Milkbar ging.

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