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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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arbeiteten flink und jeder Handgriff war bedacht. Fasziniert sah ich ihr zu.
    Â»Werden die neuen Gäste auch da sein?«, fragte ich.
    Freda schüttelte den Kopf. »Nein, die sind schon wieder abgereist. Ihr Interesse an Neah Bays Sehenswürdigkeiten war nicht sonderlich groß.«
    Â»Aber wer soll das dann alles essen?«
    Â» Die Austins reisen morgen ab«, sagte Freda. » Es ist sozusagen ihr Abschiedsessen. Alisha wollte mit Tyler vorbeikommen und ich hoffe, dein Vater ist auch rechtzeitig zum Essen zurück. Wenn die Sonne weg ist, wird es sehr schnell finster im Regenwald und er kann sowieso nicht mehr fotografieren.«
    Oh, da kannte sie ihn schlecht. Aber jetzt, wo Javid nicht mehr mit mir redete, wünschte ich selbst, mein Vater käme bald zurück. Wenn Tyler zum Essen eingeladen war, hatte Javid bestimmt sowieso keine Zeit für mich. Tyler McCarthy fand weiße Mädchen öde. Und darauf, dass Javid auf irgendeine Weise zeigen würde, dass er mich mochte, machte ich mir keine Hoffnungen. Nun jedenfalls nicht mehr. Der Abend würde schrecklich werden.
    Nach Fredas Anweisungen bereitete ich einen grünen Salat zu und schnippelte Früchte für den Obstteller. Kiwi, Melone, Bananen, Orangen und Mangos. Freda musste die frischen Früchte aus Port Angeles mitgebracht haben, jedenfalls rochen sie nicht nach Fisch wie das Obst aus Washburnes Supermarkt.
    Die Austins hatten es sich inzwischen im Garten gemütlich gemacht und kurz darauf kamen Alisha und Tyler mit dem verbeulten Auto vorgefahren. Durch das kleine Küchenfenster sah ich die beiden mit Javid plaudern und er schien sich dabei gut zu amüsieren.
    Der Ärger über unsere Funkstille und eine gehörige Portion Eifersucht trieben mir Tränen in die Augen. Freda schrieb sie den Zwiebeln zu, die ich gerade schnitt, und sie lachte darüber. Ich fuhr mir mit dem Ärmel übers Gesicht und sah auf meine Armbanduhr. Es war schon 20 Uhr und mein Vater immer noch nicht zurück.
    Â»Mach dir keine Sorgen«, sagte Javids Mutter, die meinen Blick bemerkt hatte. »Vom Hoh River bis nach Neah Bay ist es ein ganzes Stück zu fahren. Er wird sicher bald kommen. Wir fangen einfach schon mal an.«
    Mrs Austins berichtete von ihrem Tagesausflug an den See Ozette und die Wanderung, die sie gemacht hatten. Javid und Alisha redeten über die Schule und welche Basketballmannschaft in diesem Jahr siegen würde. Tyler gab Geschichten von seinem Unialltag zum Besten. Ich schwieg die meiste Zeit.
    Plötzlich wusste ich, wie ich mich fühlte: ausgestoßen. Und auch wenn ich es gewohnt war, tat es weh. Was hatte ich denn so falsch gemacht, dass Javid mich völlig links liegen ließ?
    Er und Tyler kümmerten sich um den Fisch auf dem Grill, wobei sie ihr lockeres Geplauder nicht einmal unterbrachen. Manchmal streifte mich Javids Blick, aber dann tat er so, als wäre ich nicht vorhanden. Was war aus der Kupferfrau geworden? Hatte er alles vergessen? Ich war immer noch dieselbe – so dachte ich jedenfalls.
    Bald zog ein köstlicher Duft über die Wiese. Es war Silberlachs, den wir uns mit den Orcas teilten. Vielleicht war ja doch genug für alle da, für die Menschen und die Wale. Vielleicht war es möglich, miteinander auszukommen.
    Irgendwann waren die Servietten aufgebraucht und ich ging nach drinnen, um ein neues Päckchen zu holen. Da hörte ich Javid und seine Mutter in der Küche reden. Ich hatte nicht vor zu lauschen, aber ein paar Wortfetzen schnappte ich trotzdem auf. »… sei ein bisschen freundlich …«, hörte ich Freda sagen, » … vergiss nicht, sie sind unsere Gäste.«
    Wie versteinert stand ich da. Nun hatte ich es selbst gehört und fand meine schlimmsten Vermutungen bestätigt. Javid hatte den Auftrag von seiner Mutter bekommen, nett zu den Gästen zu sein. Er hatte den Auftrag, nett zu mir zu sein. Heute Abend hatte er seine Pflicht vernachlässigt und war deswegen gerügt worden.
    Es tat sehr weh. Ich verkroch mich in eine dunkle Ecke und kämpfte lange mit meiner Enttäuschung und den Tränen, bevor ich an der Küchentür klopfen und Freda um die Servietten bitten konnte. Wie gerne wäre ich in meinem dunklen Zimmer verschwunden. Aber dann hätte ich Javids Mutter am nächsten Tag eine Erklärung geben müssen und ich mochte sie nicht anlügen. Deshalb harrte ich tapfer aus.
    Auch als der Fisch gar

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