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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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oder Fischkutter, weil die Wale wild auf die Fischabfälle sind. Dann kann so etwas schon mal passieren. Trotzdem ist er derjenige, der am zutraulichsten ist.«
    Das Boot schaukelte auf den Wellen, die Bob und Mora durch ihr Umhertollen verursachten. Sie tauchten unter dem Schlauchboot durch, jagten einander und es schien ihnen zu gefallen, dass ich hin und wieder erschrockene Schreie ausstieß,die dann in ungläubiges Lachen übergingen. Die Faszination, die die Orcas in mir weckten, hielt meine Angst und die Übelkeit in Schach. Ich wollte nichts verpassen und konnte es mir deshalb nicht leisten, wieder seekrank zu werden.
    Bald waren Javid und ich von oben bis unten nass. Wir lachten, als wieder eine kalte Dusche auf uns niederging. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so glücklich gefühlt wie an diesem unglaublichen Nachmittag auf dem Ozean.
    Â»Sieh dir das an!«, rief Javid auf einmal und zeigte auf das Weibchen. Mora stieß ihren mächtigen Körper aus dem Wasser, drehte sich in der Luft und tauchte wieder ein, wobei sie einen großen Strudel erzeugte. Ihr gewaltiger Körper glänzte im Sonnenlicht.
    Â»Man nennt es breaching«, erklärte mir Javid. »Das bekommt man nicht oft zu sehen, wir hatten Glück. Niemand weiß, warum sie es tun.«
    Â»Vielleicht springen sie einfach, weil es ihnen Freude macht.«
    Mora sprang noch einmal.
    Â»Sieht tatsächlich so aus, als wäre sie trächtig«, sagte Javid. »Sie ist sehr dick. Bestimmt wird es bald Nachwuchs geben. Wahrscheinlich ist die Gruppe deshalb vor unsere Küste gekommen, weil sie hier ihre Ruhe haben. Oben, vor Vancouver Island gibt es hunderte Orcas. Aber dort leben so viele Fischer von Walbeobachtungstouren, dass an einem Tag manchmal fast hundert Boote unterwegs sind.Das ist kein Vergnügen für die Wale, für sie ist es Stress. Orcas können nicht besonders gut sehen, aber dafür hören sie ausgezeichnet. Sie sind sehr lärmempfindlich. Deshalb kommen sie auch erst zum Boot, wenn der Motor aus ist.«
    Granny, die alte Walkuh, ihre Tochter Conny und der scheue Lopo beobachteten uns aus sicherer Distanz, während sich Mora und Bob immer wieder ganz nahe an uns heranwagten. Sie versuchten uns spielerisch zu necken und ein bisschen Angst einzujagen. Was natürlich nur bei mir funktionierte.
    Â»Sie fürchten sich kein bisschen vor uns«, sagte ich mit klopfendem Herzen.
    Â»Wale haben keine Angst vor Menschen, Copper. Aber sie haben sie lange Zeit gehasst, weil die Menschen sie gnadenlos gejagt und getötet haben. Irgendwann haben sie dann aufgehört uns zu hassen, obwohl wir sie immer noch töten. Vielleicht haben sie eine Walversammlung einberufen und beschlossen Geduld mit uns zu haben und an unsere Vernunft zu glauben.«
    Â»Dein Volk hat auch wieder damit angefangen, Wale zu töten«, sagte ich.
    Javid schien dieses Thema nicht zu mögen, denn er antwortete nicht gleich. Schließlich sagte er: »Dass heute einige Walarten vom Aussterben bedroht sind, ist nicht unsere Schuld. Es waren die Walfänger mit ihren großen Schiffen und den brutalen Fangmethoden. Wir Makah haben nur genommen, was wir zum Leben brauchten.«
    Â»Und warum fangt ihr jetzt wieder damit an, Wale zu töten?«, fragte ich. »Wo ihr doch das Walfleisch gar nicht braucht?«
    Ein Schatten verdunkelte Javids Gesicht. Ich hatte das Gefühl, dass er auf diese Frage selbst keine Antwort wusste. Dass er in seinem Inneren mit sich rang, auf welcher Seite er stehen sollte.
    Â»Du lässt nicht locker, was?«
    Â»Ich will es nur verstehen, mehr nicht.«
    Â»Ja«, sagte er bitter. »Das möchte ich auch.«
    Die Orcas hatten auf einmal genug von uns und unserem roten Boot, das jetzt träge auf dem Wasser schaukelte. Sie umkreisten es noch einmal und entfernten sich dann mit einem fröhlichen Pfeifen und Quietschen.
    Â»Was, wenn ich reingefallen wäre?«, fragte ich, jetzt nachdem sie weg waren.
    Â»So wenig, wie an dir dran ist, hätten sie wahrscheinlich versucht dich mit Fisch zu füttern, um dich ein wenig aufzupäppeln.«
    Sollte das komisch sein? Gekränkt verzog ich den Mund. Dass ich so mager war, nervte mich selbst und ich hätte es gerne geändert. Aber manchmal liefen die Dinge nicht so, wie man es gerne hätte.
    Javid merkte, dass er ins Fettnäpfchen getreten war, und stieß mich kumpelhaft in die Seite. »Hey,

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