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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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mir gar nicht richtig zugehört hatte. Vielleicht lag das an dieser Lorraine. Sie lachte gern und oft, was meinem Vater offensichtlich gefiel. Immer wieder wanderte sein Blick zu ihr hin.
    Javid hatte den ganzen Abend nur mit Tyler und Alisha geredet. Auch nach dem eindeutigen Appell seiner Mutter hatte er sich keine Spur um mich gekümmert. Als die kleine Gesellschaft sich auflöste, um ins Bett zu gehen, war mir zum Heulen zu Mute. Mühsam riss ich mich zusammen.
    Später, im Bett, dachte ich noch einmal über den Tag nach. Irgendwie konnte ich mir Javids Verhalten nicht erklären. War es das, was Papa meinte, wenn er mich vor der Andersartigkeit dieser Menschen warnte? Waren Javids Küsse nur Spiel gewesen? Ich wollte einfach nicht glauben, dass es vorbei sein sollte, wo ich doch gerade erst so glücklich gewesen war.

15. Kapitel
    L orraine Cook saß am nächsten Morgen mit an unserem Tisch, als wir frühstückten. Ich merkte sehr schnell, dass sie mit meinem Vater flirtete. Sie tat das ganz offen und unverstellt. Sicher, Lorraine war eine attraktive Frau, das musste ich eingestehen, auch wenn mir Freda sehr viel besser gefiel. Für meinen Geschmack waren Lorraines Gesichtszüge etwas zu streng. Aber sie hatte eindrucksvolle graugrüne Augen und Papa hing an ihren dunkelrot geschminkten Lippen, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt. Ich konnte nur mühsam meinen Unmut verbergen.
    Es war nicht so, dass die beiden mich links liegen gelassen hätten, aber irgendwie fühlte ich mich nun auch von ihnen ausgesperrt. Sie hatten sich eine Wanderung zur alten Siedlung Ozette vorgenommen und erst ganz zum Schluss, als sie schon im Aufbruch waren, fragte mich Papa ganz nebenbei, ob ich diesmal mitkommen wolle.
    Eigentlich war ich neugierig auf das Ausgrabungsgebiet, über das ich so viel im Museum gelesen hatte, aber bei diesem Ausflug würde ich eindeutig überflüssig sein. »Ich will heute im Hafen Boote malen«, sagte ich deshalb schnell.
    Was für ein blöder Einfall. Javid würde seine Zeit mit Tyler verbringen und ich würde mich den ganzen Tag darüber ärgern.
    Papa schüttelte den Kopf. »Du malst jeden Tag und lernst überhaupt nichts von der Gegend kennen, Sofie. Aber dafür sind wir doch schließlich hier.«
    Wir waren hier, weil er Fotos machen und wir wieder zueinander finden wollten. Von attraktiven blonden Frauen mit roten Lippen war nicht die Rede gewesen. Aber was sollte ich machen? Papa war schließlich ein erwachsener Mann und ich konnte nicht verhindern, dass ihm Lorraine gefiel, auch wenn es mich verletzte.
    Â»Vielleicht ist Malen ihre Art, die Gegend kennen zu lernen«, sagte Lorraine und lächelte mir verschwörerisch zu.
    Ich lächelte nicht zurück, denn ich brauchte Lorraines Unterstützung nicht, auch wenn sie es gut meinte. Wahrscheinlich machte sie sich irgendwelche Hoffnungen bei meinem Vater. Vielleicht hatte er gestern Eindruck auf sie gemacht. Aber spätestens auf der gemeinsamen Wanderung nach Ozette würde sie merken, dass er im Augenblick keine besonders amüsante Begleitung war.
    Mein Vater und Lorraine brachen auf, obwohl das Wetter sich nicht von seiner besten Seite zeigte. Es sah so aus, als könnten sich die Wolken nicht entscheiden, ob sie der Sonne Platz machen oder lieber für Regen sorgen wollten. Wobei Letzteres wahrscheinlicher schien, angesichts ihrer dunkelgrauen Färbung.
    Ich stand mit hängendem Kopf am Geländer vor meinem Zimmer und überlegte, ob ich tatsächlich zum Hafen gehen und Boote malen sollte. Ich hatte schon einmal versucht Boote zu malen und es war mir nicht gelungen. Sie hatten allesamt nicht sehr seetüchtig ausgesehen. Es erneut zu versuchen würde nur in einer weiteren Niederlage enden. Das wollte ich mir nicht antun. Ich fühlte mich so schon elend genug.
    Zu allem Überfluss fällten die Wolken ihre Entscheidung und es fing an, zu regnen. Ich ging in mein Zimmer zurück und schloss die Tür hinter mir. Es gab ein Foto meiner Mutter, das ich ständig bei mir trug. Jetzt holte ich es heraus, um es zu betrachten. Das Foto war schon ganz abgegriffen und hatte stumpfe Tränenflecken.
    Â»Mama«, sagte ich, »du hättest bestimmt eine Erklärung für alles. Du könntest mir helfen, ich weiß es.«
    Ich presste das Foto an meine Brust, warf mich aufs Bett und weinte. Ich heulte, wie ich es seit dem Tag der

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