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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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„Die Göttin hat mir vergeben“, flüsterte sie Phano ins Ohr, die in ihrem Arm eingeschlafen war. Gemeinsam mit Thratta verließ sie die Akropolis und kehrte zurück zur Agora. Ihre Schritte waren leicht wie lange nicht mehr. Auf der Agora konnte sie sogar gemeinsam mit Thratta über die verzweifelten Bemühungen Phanos kleiner Hände lachen, ihr den Schleier vom Gesicht zu ziehen. Sie war frei von ihrer Vergangenheit. Vielleicht werde ich doch noch lernen, eine gute Mutter zu sein.
    „Neaira! Bei Aphrodite ... ich habe mich nicht geirrt!“
    Die Stimme des Mannes war laut, überschwänglich und befehlsgewohnt. Neaira kannte sie. Phano, die es endlich geschafft hatte ihren Schleier zu fassen, zog ihn herunter, sodass der Mann einen Blick in Neairas erschrockenes Gesicht erhaschte, bevor sie ihren Schleier zu richten begann. „Chabrias!“ Bemerkte er das Zittern in ihrer Stimme? Konnte sie auf ein Wunder hoffen, dass sie unsichtbar werden ließ?
    Der gutaussehende Chabrias warf in einer selbstbewussten Geste seinen Mantel über die Schulter, begutachtete Neaira mit Kennerblick und verzog dann seinen Mund zu einem Lächeln. „Ein solches Gesicht vergisst man nicht, ebenso wenig wie eine solche Frau -
    auch wenn ich dich bisher nur unter einer Maske aus Bleipaste gesehen habe. Ich wusste nicht, dass du wieder in Athen bist ... und ich glaube auch nicht, dass Phrynion davon weiß. Bestimmt würde er rasen und toben. Ich habe von deiner kleinen List gehört.“ Er redete, gestikulierte und trat noch ein Stück näher an sie heran. „Niemand außer Neaira hätte es gewagt, Phrynion zu verlassen und sich aus seinem Haus zu bedienen.“ Sein Lachen war bewundernd und ausgelassen zugleich. Er übersah geflissentlich das Kind in ihrem Arm.
    Neaira trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und suchte nach einer Möglichkeit, dieses Gespräch zu beenden.
    „Wo lebst du jetzt? Wer ist dein Gönner? Er scheint entweder arm zu sein oder dich nicht sonderlich zu schätzen, wenn er deine Schönheit in solch faden Lumpen versteckt. Oder ist er eifersüchtig?“ Chabrias kniff ihr ein Auge. „Phrynion war es, wie ich mich entsinne, und wer will es ihm verübeln. Du bist noch immer schön.“
    Warum ging er nicht einfach und vergaß, dass er sie gesehen hatte? Stattdessen sprach er einfach weiter.
    „Warum bist du nicht zu mir gekommen, als du Phrynion verlassen hast? Ich dachte, dass mein Angebot auf dem Fest deutlich war. Was Phrynion dir geboten hat, hätte ich dir auch geben können, wenn nicht sogar viel mehr.“
    Chabrias wurde ernst. „Und ich bin noch immer bereit es dir zu geben. Verlasse diesen armseligen Trottel, der dich so knapp hält, und werde meine Hetäre. Die Schicksalsgöttinnen haben uns heute das dritte Mal zusammengeführt. Das ist ein Omen.“
    Ein Omen sollte es sein, ein Omen für was? Neaira sah ihn an und fand, dass Chabrias noch immer ein gutaussehender Mann war. Vielleicht sah er sogar besser aus als früher oder sie war einfach den Anblick gutaussehender Männer nicht mehr gewohnt. Seine Brust war breit, und in diesem Augenblick stellte sie sich vor, wie sie zusammen auf einer Kline liegen würden. Ein kleiner Tanz am Rand des Tartaros, einmal noch die Gluthitze des eigenen Verlangens spüren ... sie war eine Mänade, egal wie gut es ihr auch gelang sich zu beherrschen. Das, was unter der Oberfläche lag gab, sich nicht mit lauwarmen Gefühlen zufrieden.
    Chabrias hielt ihr die Hand hin, goldberingt – eine Hand, die noch nie hart arbeiten musste. Er war ein schöner Mann, ein reicher Mann, und er begehrte sie. Und danach? Kurz war Neaira versucht einem Drang nachzugeben, der tief aus ihrem Inneren rührte – dann wandte sie sich von ihm ab. „Es tut mir leid, Chabrias, aber ich habe es eilig. Mein Herr erwartet mich.“ Neaira packte Thratta am Arm und zog sie mit sich fort.
    „Warte doch“, hörte sie Chabrias empörte Stimme hinter sich, doch da waren sie schon untergetaucht und schoben sich durch die Leiber der sich drängenden Menschen auf der Agora. Sie musste fliehen - nur weg von ihm und ihrem Drang sich all jenem erneut hinzugeben, vor dem sie so entschlossen geflohen war. Erst als sie weit genug von der Agora entfernt waren, blieb Neaira stehen.
    Phano weinte, da sie das Gedränge und die hektische Flucht ihrer Mutter gespürt hatte.
    „Herrin, wer war das?“, fragte Thratta japsend.
    Bei Thrattas ängstlicher Stimme verbarg Neaira ihre Angst, machte eine wegwerfende

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