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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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unauffällig. Narziss hat mich nie angerührt.“ Mit Bitterkeit in der Stimme fuhr sie fort: „Du selbst hast mir doch Geschmack auf solcherlei Dinge gemacht, Neaira! Ich langweile mich zu Tode. Ihr haltet mich wie eine Gefangene. Noch nicht einmal Wein darf ich trinken!“
    „Ich weiß, was Weingenuss anzurichten vermag. Du bist jung und unbedarft. Ich denke an keine Zukunft“, verteidigte sich Neaira. Die Erinnerungen an Phila und vor allem an Phrynion standen ihr lebhaft vor Augen.
    „Was für eine Zukunft soll das wohl sein?
    Eingeschlossen im Haus eines Mannes zu sitzen?“ Wie Phano die Räume ihrer Frauengemächer durchmaß, die Hände gestikulierend erhoben und das Gesicht von Gefühlsregungen gezeichnet, wusste Neaira, dass sie handeln musste. Sie hatte ihrer Tochter einst gewünscht, dass ihr Schönheit erspart bleiben würde. Wer hätte besser als sie selbst gewusst, dass Schönheit mit der Forderung einherging, schöne Dinge zu genießen, anstatt bescheiden das geringe Glück anzunehmen, welches das Leben einer Frau gewährt. Aber Phano war schön an Gestalt und schön im Geist ... viel zu schön, als dass sie es als annehmbar empfunden hätte vor den Augen der Männer und dem Leben verborgen gehalten zu werden.
    Neaira wusste, dass sie sich nicht von ihren Gefühlen erweichen lassen durfte. Scheinbar mitleidlos erklärte sie Phano, dass sie von nun an streng bewacht werden würde und nicht hoffen sollte, das Haus noch einmal heimlich verlassen zu können. Phanos ebenmäßige Gesichtszüge verzerrten sich vor Wut. „Ich will keine Ehefrau im Haus meines Gatten werden. Ich will leben, wie mein Vater es dir gewährt, frei und ungezwungen!“
    „Du weißt nicht, was du da sagst“, erklärte Neaira ihr in kühlem Tonfall.
    Phano verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum hältst du mich für ein dummes Kind, Neaira? Ich würde dein Leben sofort wählen, wenn man mich ließe – auch wenn man mich dafür eine Hure nennen würde!“
    Neaira erschrak. Wie leichtfertig Phano mit Worten umging. Was wusste sie schon davon was es bedeutete, eine Hure zu sein? Neaira überkam Angst, und gleichzeitig schämte sie sich zu sehr Phano über das Leben aufzuklären, welches sie gelebt hatte, bevor sie in Stephanos Haus gekommen war. Mit einem Mal wollte sie nur noch fort. „Ich werde mit deinem Vater reden“, sagte sie und ließ ihre wütende Tochter allein.
    Auch Stephanos erkannte den Ernst der Lage, als Neaira von Phanos Ausflügen erzählte. Er versprach sich auf der Agora und in der Polis umzuhören, ob über Phano geredet wurde. Ein paar Tage später erzählte er Neaira erleichtert, dass Phanos Ausflüge unbemerkt geblieben waren.
    „Du musst sie schnellstmöglich verheiraten“, beschloss Neaira und überlegte gemeinsam mit Stephanos, ob es einen geeigneten Mann in Athen gäbe. „Er sollte nicht zu alt sein, aber auch nicht zu jung, damit er Phano eine gewisse Reife und andererseits genügend Geist entgegenzusetzen hat“, befand Neaira. „Er sollte auch nicht zu streng sein.“ Als sie über ihre eigenen Worte nachdachte, hätte sie sich am liebsten selber ausgelacht.
    Einen solchen Mann gab es nicht in Athen.
    Stephanos hörte sich bei Freunden um, ob es einen Mann gab, der eine Gattin suchte, und vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er Phano mit einer Mitgift von dreitausend Obolen auszustatten gedachte.
    Einige Tage später fanden die anderen Sklaven des Hauses Narziss blutüberströmt auf seiner Schlafmatte. Er war zusammengeschlagen worden, sein Gesicht zertreten und beide Hände zerschmettert. Neaira argwöhnte, dass die Sklaven wussten, wer Narziss so zugerichtet hatte. Doch selbst Thratta oder Kokkaline brachten sie nicht zum Reden. Sie vertrauten den beiden ebenso wenig wie Neaira, da Kokkaline und Thratta bevorzugte Haussklavinnen einer Hetäre waren. Neaira stellte Stephanos zur Rede, der schließlich zugab, Proxenos alles erzählt zu haben.
    „Ich hatte dich gebeten, es nicht zu tun. Was glaubst du, weshalb ich dich darum gebeten habe? Narziss hat Phano nicht angerührt. Jetzt ist er ein Krüppel!“
    Stephanos stützte den Kopf in die Hände und seufzte.
    In diesem Augenblick erkannte Neaira wieder den zahnlosen Hund. „Ach, Neaira, das wollte ich nicht. Ich hatte Proxenos gesagt, dass er ihn einschüchtern soll, mehr nicht.“ Verständnis erbittend sah er sie an. „Du musst das verstehen, Neaira! Hier geht es um meine Ehre. Ich kann nicht zulassen, dass dieser Sklave seine

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