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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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er sie bat, ihn endlich gehen zu lassen. Hätte sie es doch nur vermocht! Nach reiflichen Überlegungen beschloss Neaira, dass es besser wäre, Phano eine solche Erfahrung zu ersparen. Ein langweiliger Gatte war die bessere Wahl für ihre Tochter. Phrastor würde großzügig und nachsichtig sein, wenn sie ihm ein oder zwei Söhne geboren hatte. Außerdem tat es Phano nicht gut, immer wieder den entstellten Narziss von ihrem Fenster aus zu sehen. Der jämmerliche Anblick des Sklaven versetzte Phano in eine düstere Stimmung. Es war besser, wenn sie schnell vergaß, was geschehen war. Phano war jung, und ihre Wunden konnten noch immer heilen.
    Als Neaira Phano mitteilte, dass sie Phrastor heiraten würde, fragte diese wie ihr zukünftiger Gatte denn wäre.
    Sie erwähnte mit keinem Wort Narziss und bedachte Neaira auch nicht mit Schuldzuweisungen. Phano schien echtes Interesse daran zu haben, etwas über ihren zukünftigen Gatten zu erfahren. Neaira hob Phrastors Vorzüge hervor und verschwieg die vielen Dinge, die ihr wenig glückverheißend erschienen. „Er ist wohlhabend, fleißig und nicht zu streng.“
    „Ich finde ihn jetzt schon langweilig, obwohl ich ihn nicht einmal kenne“, bekannte Phano daraufhin mit geringschätzendem Lächeln.
    Phano war gerade siebzehn Sommer alt geworden, als Phrastor mit einem großen Brautzug kam, um seine Gattin in sein Haus zu bringen. Stephanos führte die verschleierte Phano, wie es der Brauch war aus seinem Haus, und übergab sie an Phrastor, der sie um das Handgelenk fasste und zu dem geschmückten Eselskarren führte. Dem Brautzug folgten Fackelträger, Musiker und ein Priester sowie Phrastors Verwandte und Stephanos mit seiner Familie. Neaira blieb zurück, als sich der Brautzug zu Phrastors Haus aufmachte, und sah den flackernden Fackeln hinterher, bis sie nur noch ein Funkeln in der Ferne waren. Auch jetzt wollte sie nicht den Eindruck erwecken, Phanos Mutter zu sein oder gar diese Rolle im Leben des Mädchens übernommen zu haben. Phano sollte den besten Eindruck bei ihrem Gatten und seiner Familie hinterlassen. Trotzdem schickte sie Thratta mit dem Brautzug, damit die Sklavin Phano beim rituellen Hochzeitsbad zur Seite stand und Neaira danach berichten konnte, wie Phano über ihren Gemahl dachte.
    Ungeduldig erwartete Neaira Thratta am Abend in ihren Frauengemächern, als die Sklavin ins Haus zurückkehrte, und forderte sie auf zu berichten. Thratta ließ einen Seufzer hören und antwortete: „Phrastor war begeistert, als er Phanos Gesicht entschleierte, aber Phanos Augen blieben kühl. Sie zeigte wenig Interesse an ihrem Gemahl und hat sich dreimal um das Herdfeuer führen lassen wie ein Ochse, der den Pflug scheut. Sie war zwar nicht unhöflich oder angeekelt ... ich glaube eher, dass er ihr gleichgültig war.“
    Neaira schenkte Thratta eine Schale Wein ein, welche die Sklavin überrascht entgegennahm. „Wein, Herrin? Für mich?“
    „Sollten wir nicht auf dieses freudige Ereignis trinken und damit Aphrodite für das Gelingen dieser Ehe bitten?“
    Thratta nickte bekümmert, und gemeinsam tranken sie schweigend ihre Schalen leer. Sodann war es Neaira, die aufseufzte. „Hoffentlich wird Phano wenigstens eine bessere Mutter, als ich es war. Das zumindest sollte ihr gelingen, denn dazu gehört nicht viel.“
    „Herrin, dich trifft doch keine Schuld“, versuchte Thratta Neaira wie so oft zu trösten, doch sie schüttelte den Kopf. Was würde sie noch alles falsch machen im Leben? Aphrodite, bitte schenke meiner Tochter Glück , bat sie die Göttin stumm um Beistand.
    Neaira beschloss, Thratta so oft es ging in Phrastors Haus zu schicken, um nach Phano zu sehen. Dies erschien ihr weit unverfänglicher, als wenn sie selbst dort hingegangen wäre. Sie fürchtete, dass sowohl Phano als auch Phrastor ihre Besuche misstrauisch machen würden. Thratta, die Phanos Kindermädchen gewesen war und sie aufgezogen hatte, nachdem sie keiner Amme mehr bedurfte, würde ohnehin viel eher von Phano ins Vertrauen gezogen werden. Stephanos erlaubte diese Besuche, und auch Phrastor hatte dagegen nichts einzuwenden. Neaira wartete jedoch den ersten Mondumlauf ungeduldig ab, bevor sie Thratta zu Phrastors Haus schickte.
    Wieder dauerte es fast einen gesamten Tag, bis Thratta zurückkehrte und Neaira berichten konnte. „Phano ist nicht besonders glücklich, Herrin. Sie trinkt zu viel Wein und vertreibt sich die Tage mit Brettspielen oder dem Schikanieren der Sklaven. Mir scheint fast so,

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