Der Gesang des Satyrn
als könne Phrastor sich kaum gegen ihren Willen zur Wehr setzen.
Nur zu mir ist sie freundlich.“
„Und was hast du für einen Eindruck von Phrastors Gefühlen?“, fragte Neaira die Sklavin. Obwohl Phanos Gefühle sie dauerten, hegte sie noch immer die Hoffnung, dass Phanos Gemüt sich beruhigen würde, wenn sie erst einmal ein Kind erwartete.
„Er ist erst am Abend ins Haus zurückgekehrt. Er arbeitet viel, der Herr Phrastor. Aber zumindest scheint er Phano so weit zu vertrauen, dass er sie ohne Aufsicht im Haus lässt, während er seine Felder besucht und seiner Arbeit nachgeht.“
Nach dem zweiten Besuch bei Phano erzählte Thratta Beunruhigendes. Anscheinend hatte Phrastor sich bei Thratta erkundigt, ob Phano bereits so viel Wein getrunken hätte, als sie im Haus ihres Vaters gelebt hatte. Thratta hatte verneint. Daraufhin hatte Phrastor zwar genickt, doch er schien angespannt und hatte Thratta ein Schreiben für Stephanos mitgegeben, in dem er darum bat, Thratta in den Dienst Phanos zu stellen, damit sie das Gemüt seiner Gattin etwas aufheitere. Phano benahm sich zudem wenig zurückhaltend, wie Phrastor Stephanos in dem Schreiben mitteilte. Die Angelegenheiten des Haushaltes interessierten sie wenig, und das Wollspinnen überließ sie den Sklaven. Ständig schwatzte sie und verlangte nach Unterhaltung. Phrastor zeigte sich bekümmert darüber, dass seine Gattin so wenig weibliche Tugenden besaß.
Phano, der Sturmwind, hatte bereits begonnen, Phrastors Haushalt ordentlich durchzurütteln und sein dahinwogendes Gemüt durcheinanderzuwirbeln. Schweren Herzens trennte Neaira sich von Thratta, bestand jedoch bei Stephanos darauf ihre Sklavin nur als Leihgabe in Phanos Dienste zu geben. Stephanos willigte ein, und Thratta verabschiedete sich tränenreich von Neaira und Kokkaline, wobei sie versprach, so oft es ging Besuche abzustatten und Neaira über den Gemütszustand Phanos zu unterrichten. „Sie weiß sich dort einfach nicht zu beschäftigen, Herrin; vielleicht kann ich sich ja etwas aufheitern.“
Neaira hoffte, dass das arme Hündchen sich da nicht täuschte und ebenfalls ins Auge des Sturmes geriet.
Fast zwei Mondumläufe hörte sie nichts von Thratta, und dieser Umstand ließ Neaira ein wenig zur Ruhe kommen. Sie gab es auf sich ständig Sorgen zu machen und empfand dies bald als Erleichterung. Nun hatte sie wieder mehr Zeit für Stephanos, der sie wie früher bat, bei den Gastmählern mit seinen Zeugen anwesend zu sein. Wieder einmal sorgte sich Stephanos um jenen Apollodoros, mit dem er erneut in einen heftigen Streit geraten war. „Ach, dieser unangenehme Mensch!“ Weißt du, dass er mit fast jedem Streit hat, dem er begegnet? Selbst sein Nachbar ging so weit seine jüngeren Brüder zu bezahlen, damit die Apollodoros Rosenbeete zertrampeln! Mit diesem Nikostratos versteht er sich nämlich genauso wenig wie mit den meisten anderen, obwohl er ihn einmal seinen Freund nannte. Angeblich hat Apollodoros Nikostratos Geld geliehen, das er nicht zurück erhalten hat. Doch anstatt sich mit ihm zu einigen, hat er ihn vor Gericht gezerrt. Kurz darauf hat Nikostratos ihn noch einmal im Steinbruch eigenhändig verprügelt, als Apollodoros dort die Arbeiten beaufsichtigen sollte. Weißt du, weshalb er sich so aufspielt? Er selbst ist der Sohn eines freigelassenen Sklaven, der sich die Bürgerrechte mit Geld erkauft hat.
Wenn Apollodoros nicht hassen und streiten kann, ist er unglücklich.“
„Er ist ein gefährlicher Mann, eben wegen der Kleinlichkeit seines Verstandes. Er wird dir noch immer zürnen und auf Rache sinnen, wenn du ihn schon längst vergessen hast“, stellte Neaira klar, die Apollodoros stechenden Blick nie vergessen hatte.
Stephanos meinte jedoch wieder einmal, dass sie sich
keine Sorgen zu machen brauche, da er der bessere Redner wäre, was seine Siege gegen Apollodoros ja beweisen würden. Neaira gab sich gezwungenermaßen mit seinen Worten zufrieden. In seinen Beruf ließ sich Stephanos ohnehin nicht hineinreden; hier war er bissig wie ein Hund von der Straße. Obwohl Neaira ihm oft Ratschläge erteilte, verstand sie einfach nicht genug von der Gerichtsbarkeit Athens. Alles, was sie zu verstehen meinte, war, dass die Athener sich gerne und oft gegenseitig verklagten und dafür seltsame bis lächerliche Gründe fanden. Sie hoffte inständig, dass Stephanos und Apollodoros irgendwann die Klugheit besitzen würden, sich aus dem Weg zu gehen.
Ihre letzten unguten Gefühle bezüglich
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