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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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kannte.
    Phano besaß keinerlei Bildung und keine guten Umgangsformen. Thratta liebte das Mädchen zwar, hatte jedoch nie etwas anderes gelernt, als zu dienen. Obwohl sie keine wirkliche Lust dazu verspürte, zwang sie sich aufzustehen. Sie hatte bei Aphrodite geschworen, Phano vor einem Schicksal wie dem ihren zu beschützen. „Hilf mir mich anzukleiden und zu waschen. Aber es bleibt dabei ... Phano soll nicht erfahren, dass ich ihre Mutter bin.“
    Kokkaline nickte eifrig, froh darüber, dass ihre Herrin sich endlich entschloss, wieder am Leben teilzunehmen. Sie half Neaira in einen Peplos und schminkte so gut es ging ihre übernächtigten Augen. Sodann setzte sich Neaira an ihren Tisch und ließ nach Thratta rufen, damit sie ihr Phano brachte.
    Das Mädchen, das Thratta in ihre Räume führte, erschien ihr fremd. Neaira erinnerte sich an einen Säugling, an winzige Hände, die ihr den Schleier vom Gesicht gezogen hatte, als Chabrias sie auf der Agora entdeckte.
    Doch alles, was danach kam, schien ihr wirr und dumpf.
    Phrynion hatte sich vor alles geschoben, was in ihrem Leben hätte Bedeutung haben sollen. Nun stand ihre Tochter wie ein Felsbrocken vor ihr, hart, unnachgiebig und stur. Alles an Phano zeigte Ablehnung – ihre verschränkten Arme, die abgewandten Augen und der unwillig zusammengekniffene Mund. Neaira suchte nach Ähnlichkeiten mit sich selbst im Gesicht Phanos, sah jedoch nur Stephanos. Trotzdem war Phano ein hübsches Kind und würde als Frau schön sein. Ihr Haar war dunkelbraun, wie es das von Stephanos einst gewesen war, ihre Augen braun mit einem grünlichen Schimmer. Die Gesichtszüge Phanos waren ebenmäßig - weder zu sinnlich noch zu derb, wie es dem Schönheitsideal entsprach. In ihrem hellblauen Peplos sah sie einer trotzigen Puppe ähnlich. Neaira wusste, dass es nicht leicht sein würde zum Leben ihrer Tochter wieder Zugang zu bekommen. „Ab heute werde ich dich unterweisen, Phano. Du musst lernen, wie sich eine Frau benimmt, damit du später heiraten kannst. Du sollst Bildung erhalten, obwohl es ungewöhnlich für ein Mädchen ist. Aber ich bin der Ansicht, dass es einem Mädchen zum Vorteil gereicht, wenn es seinen Kopf gebrauchen kann.“
    Ebenso gut wie Neaira schien Phano es gelernt zu haben, ihre Gefühle hinter einer Mauer zu verbergen. Ohne Neaira anzusehen, verzog sie missmutig die Lippen. „Das kann ich mir gut vorstellen. Wie sonst hätte eine Hure meinen Vater um den Finger wickeln können - so kurz nach dem Tod meiner Mutter.“ Phano wandte sich ab und rannte davon. Neaira meinte, ihr Herz würde stehen bleiben, ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie selber hatte doch gewollt, dass Phano sie nicht liebte – jetzt musste sie damit klarkommen. Als Thratta sie trösten wollte und ihr versicherte, dass Phano nur etwas Zeit brauche, hob Neaira die Hand. „Nein, Thratta! Es ist gut so, wie es ist. Sie wird mich hassen, aber das wird sie nicht abhalten zu lernen.
    Ihr Schmerz war nicht vergangen. Die Leere, die Phrynion hinterlassen hatte, ließ Neaira jeden Tag aufs Neue verzweifeln; doch eine Aufgabe zu haben, gab ihr die Kraft leben zu wollen. Am nächsten Tag begab Neaira sich zu Stephanos Räumen. Er schien ebenso überrascht wie erleichtert, sie zu sehen. Überschwänglich sprang er von seinem Stuhl auf, wo er über einer neuen Rede gesessen hatte, und bot ihr an gemeinsam zu speisen.
    „Denk an dein Versprechen, was Phanos Bürgerstatus angeht“, fiel Neaira ihm ins Wort.
    Stephanos versprach ihr, dass er es nicht vergessen hätte.
    „Ab heute wirst du alles dafür tun, um Phano als die Tochter deiner toten Frau auszugeben und mich als deine Geliebte, die in deinem Haus lebt.“
    „Neaira, auch wenn ich lange fort war ... mir liegt noch immer etwas an dir. Meine Gefühle sind keine Heuchelei“, versuchte Stephanos sie zu überzeugen.
    „Wenn dir etwas an mir liegt, dann erfülle mir diesen Wunsch, Stephanos.“
    Ihre Härte Stephanos gegenüber verwunderte sie selbst, da sie doch stets alles hingenommen hatte. Fast tat er Neaira leid – sie hatte sich immer gewünscht, dass seine Gefühle nicht schal und flau wären. Vielleicht könnten sie noch einmal neu anfangen, doch gerade jetzt reichte ihre Kraft gerade einmal aus, ihren Lebenswillen aufrechtzuerhalten. Stephanos würde warten müssen und beweisen, dass er es wert war, dass sie ihm noch einmal Vertrauen und Zuneigung entgegen brachte.
    Stephanos hielt sein Versprechen und verließ seine Geliebte. Abends

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