Der Gesang des Satyrn
lag auf seiner Kline und rückte ein Stück, damit sie neben ihm liegen konnte. Erst jetzt bemerkte Neaira, dass sie zitterte.
Weshalb war sie so aufgeregt? Aber natürlich war sie aufgeregt. Es ging um Metaneira! Warum nahm sie dann den Duft seiner Haut nach Salböl so bewusst wahr und betrachtete immer wieder seine feingliedrigen Hände, die neben ihr auf dem Polster ruhten? Phrynions Gesicht konnte sie nicht sehen, da er hinter ihr lag, und doch standen ihr seine geschwungenen Brauen und die gerade Nase in jedem Augenblick klar vor Augen. Es geht um Metaneira! , mahnte Neaira sich selbst immer wieder und zwang sich, nicht daran zu denken, wie nah sie Phrynion war.
Nichts von dem, was Phrynion tat ließ, darauf schließen, dass er sie anders behandelte als eines der anderen Mädchen. Er unterhielt sich mit den anderen Männern, solange deren Weinrausch noch nicht zu stark war, um die Unterhaltungen verstummen zu lassen. Ab und an steckte er Neaira Trauben in den Mund, doch eher wie zufällig - als erinnere er sich daran, dass sie neben ihm lag.
Manchmal glitt seine Hand über ihren Körper, doch es schien nicht gewollt zu sein; er reichte den Knaben seine leere Weinschale zum Nachschenken. Neaira verzweifelte – jedoch nicht an ihm, sondern an sich selbst. Wie ein gefangenes Tier kam sie sich vor, hilflos ihren wirren Gefühlen ausgeliefert. Beinahe war sie froh darüber, dass er kaum das Wort an sie richtete. Er verwirrte sie, verdrehte ihre Gedanken ... was wollte er von ihr? Gar nichts will er von dir – du willst etwas von ihm, schon vergessen?
Das Fest wurde ausgelassener, die Flötenmädchen legten ihre Instrumente beiseite und boten sich den Gästen in eindeutiger Weise an. Phrynion schickte jede von ihnen fort und beobachtete entspannt, wie sich die anderen Herren mit den Mädchen zurückzogen. Nikarete starrte mit funkelnden Augen in Neairas Richtung. Tu schon was, schüre seine Lust – schienen ihre Augen ihr zuzurufen.
Doch Neaira konnte es nicht. Ihr freches Mundwerk, mit dem sie Männer wie Xenokleides oder Hipparchos neckte und von oben herab behandelte, wollte sich bei Phrynion einfach nicht einstellen. Neaira tat, als würde sie Nikarete nicht sehen.
Schließlich nahm Phrynion sie bei der Hand und führte sie aus dem Andron. Neaira meinte, dass der gesamte Olymp von ihrem Herzen fallen würde, als sie Phrynion folgte. Phrynion schob sie zielstrebig in eines der freien Zimmer. Neaira wurde bewusst, dass sie trotz ihres Versprechens gegenüber Metaneira noch eine andere Art der Aufregung empfand. Sie verzweifelte an diesem geheimnisvollen Mann. War es vielleicht ein Spiel, das Phrynion mit ihr spielte?
„Nun, ich höre, was du mir Wichtiges zu sagen hast“, holte Phrynion sie aus ihren Gedanken, als er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Seine Stimme ließ Neairas Hoffnungen auf dem Boden zersplittern wie Glasperlen. Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr. Da war kein Feuer in seinen Augen, kein Begehren, kein Lächeln um seinen Mund. Neaira zwang sich, ihn ebenso gelassen anzusehen. „Herr, eine meiner Schwestern ist in großen Schwierigkeiten. Du lebst in Athen.“ Sie machte eine Kunstpause und entsann sich, dass ein demütiger Blick und ein leidvoller Klang in ihrer Stimme die Männer mehr beeindruckte als ihre wirren Gefühle „Ich habe gehofft, dass du meiner Schwester helfen würdest und Lysias aus Athen die Nachricht überbringst, dass er sofort nach Korinth kommen muss.“ Neaira maß Phrynion mit hilflosem Gesichtsausdruck – es war jener Ausdruck ihrer braunen Augen, der die Männer milde und großzügig stimmte - wie Nikarete es ihr einst verheißen hatte. Sie hoffte, dass er auch Phrynion großmütig stimmen würde.
Kurz schienen seine Blicke sich in ihren zu verlieren, dann setzte er sich seufzend auf die Kline und lächelte. „Also war es nicht dein Begehren nach mir, das dich zu mir getrieben hat.“
Er schien darüber nicht überrascht zu sein. Neairas Verwirrung nahm zu. Was immer sie tat – es schien Phrynion nicht zu beeindrucken. „Herr, aber ich weise dich doch nicht zurück“, versuchte Neaira sich zu erklären. Sie kam sich dumm vor, da er auf diese spöttische Art lächelte.
„Hast du so wenig Freude auf der Schlafkline, dass du nicht einmal auf den Gedanken kommst, jemanden zu begehren?“
Neaira lief rot an. Sie fühlte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen schoss und ihr Gesicht zu glühen begann.
Verlegen trat sie von einen
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