Der Gesang des Satyrn
wie ein Hund, während er ihr seinen heißen Atem ins Ohr blies. Am nächsten Tag schickte Idras Metaneira mit einem Salbtiegel in ihr Zimmer, um Neairas Rücken, Arme und ihr Hinterteil damit einzureiben.
„Ob Lysias mich nicht mehr sehen will?“ Metaneira fragte wie beiläufig, während ihre Finger die Striemen auf Neairas Haut bestrichen.
„Er wird bestimmt kommen, aber wahrscheinlich muss er erst einmal Philostratos beruhigen, damit er keine gemeinen Dinge über ihn verbreitet.“
Metaneira nickte und sah aus wie ein Aschehäufchen, wie sie neben Neaira auf dem Bett saß und den Salbtiegel fest umklammert hielt. „Ich habe solche Angst.“
Neaira nahm sie in den Arm, wie die Freundin es oft bei ihr getan hatte. „Zeig es nicht der Harpyie. Tu so, als würde dir nichts an Lysias liegen. Dann wird sie dich ihm vielleicht doch noch verkaufen.“
Metaneira nickte, stand auf und verabschiedete sich von Neaira, die sich schwor ein wachsames Auge auf die Freundin zu haben und alles dafür zu tun, dass Timanoridas nicht auch nach Metaneira verlangte. Auch wenn sie dafür jeden Morgen aufs Neue mit schmerzendem Rücken aufwachen und ihn umschmeicheln musste als wäre er ihr liebster Herr. Metaneira war viel zu bedrückt, als dass sie auch noch Timanoridas Grobheit hätte aushalten können.
Ihre Sorgen diesbezüglich waren jedoch unbegründet, denn Metaneira erschien am Abend nicht auf Nikaretes Fest und auch nicht die Tage danach. Stattdessen holte Nikarete Phila, Isthmias und Aristokleia zu einem Fest und versteigerte ihre Jungfräulichkeit. Vor allem die sensible Phila weinte, als der glückliche Käufer sie in eines der Zimmer führte. Neaira beobachtete Phila mit Entsetzen, nachdem sie nun jeden Abend zu Nikaretes Festen geholt wurde. Schon nach ein paar Tagen, an denen sie neben unterschiedlichen Herren auf der Kline gelegen hatte, traf man sie fast nur noch betrunken an. Neaira fand sie tagsüber im Louterion, wo sie kichernd und mit wirrem Haar die Sklaven herumscheuchte. Als sie Neaira bemerkte, schlug ihre ausgelassene Stimmung in Trübsal um. Mit lallender Stimme erklärte Phila: „Ein ganzer Ozean würde nicht ausreichen, es abzuwaschen.“
„Wenn Idras dich so sieht, setzt es Prügel“, versuchte Neaira ihr klarzumachen.
Doch Phila zuckte nur mit den Schultern und jammerte. „Ich kann es nicht ertragen, Neaira. Ich kann das einfach nicht!“
Neaira brachte Phila zurück in ihre Unterkunft, damit sie ihren Rausch ausschlief. Aber Philas Trunksucht blieb nicht unbemerkt. Neaira argwöhnte, dass Stratola sie an Idras verraten hatte. Die Schwarze verprügelte das Mädchen und verbot den Sklaven, ihr tagsüber Wein zu bringen. Phila trank dafür abends umso mehr und wurde nicht selten von den Sklaven aus dem Andron getragen, ohne dass sie dem Herrn der für sie bezahlt hatte, in eines der Zimmer hätte folgen können. Neaira sorgte sich um Phila, ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch bald von einem ganz anderen Ereignis in Anspruch genommen.
An einem Abend traf ein später Gast im Andron ein, während das Gelage bereits weit fortgeschritten war.
Nikarete hatte ihren Gästen eine besondere Darbietung versprochen, und als der späte Besucher eintraf, war diese bereits in vollem Gange. Zwei Flötenmädchen tanzten zu einer rhythmischen Trommelmusik, zu der sie sich gegenseitig mit einem ledernen Phallus verwöhnten und dabei lustvoll keuchten und stöhnten. Die Männer spornten sie an und riefen ihnen derbe Aufforderungen zu.
Neaira tat ausgelassen und lachte wie die anderen Mädchen. In diese angeheizte Stimmung trat der späte Gast des Abends – und es war niemand anderes als Phrynion, der sich von Nikarete zu einer Kline führen ließ, auf der er sich entspannt zurücklehnte und die Vorführung der Mädchen verfolgte. Die aufgesetzte Ausgelassenheit des Abends fand für Neaira ein jähes Ende. Obwohl sie es sich selbst nicht erklären konnte, fühlte sie sich unbehaglich.
Auch wenn Phrynion ihr keinen Blick aus seinen lodernden Augen schenkte, glaubte sie von ihm beobachtet zu werden. Nikarete entschuldigte sich bei Phrynion dafür, dass alle Mädchen bereits vergeben wären, als die Gäste sich erhoben, um mit ihrer jeweiligen Begleitung in die Zimmer zu verschwinden. Freundlich versicherte sie ihm, dass er jedoch am morgigen Abend ein Mädchen aus ihrem Haus auf seiner Kline hätte. Phrynion zuckte nur mit den Schultern. Bevor Hipparchos Neaira wegführte, konnte sie sehen, wie Phrynion die
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