Der Gesang des Satyrn
zitternde Hand und betete zu Aphrodite, dass Idras bald ging. So könnte Metaneira das Gebräu vielleicht erbrechen. Idras dachte jedoch nicht daran zu gehen. Sie war erst zufrieden, als Metaneira sich auf ihren Polstern zu krümmen begann. „Du bleibst bei ihr“, herrschte sie Neaira an und verschwand endlich.
Ängstlich hielt Neaira die verkrampfte Hand der Freundin als Blut aus ihr herauszufließen begann und die Polster rot färbte. Metaneira begann zu schwitzen, und ihre Lippen wurden blau. Sie erbrach sich, und ihr Pulsschlag ging rasend schnell. Dann wurden die Krämpfe noch schlimmer. Ab und an kamen einige der Mädchen und versuchten Metaneira zu trösten, die kaum noch ansprechbar war. Der Vormittag verging, und die Neugierde der Mädchen war längst gestillt. Mittlerweile hatten sie sich in ihre Zimmer geflüchtet und die Türen verschlossen. Neaira blieb an der Seite der Freundin und stand erst auf, als ihr klar wurde, dass etwas nicht stimmen konnte. Am frühen Abend schlug sie der Freundin vor zu Nikarete zu laufen, damit diese einen Arzt rufen konnte.
„Sie will mich umbringen ... ach, Neaira, bleib bei mir!“
Metaneiras Stimme war kaum noch zu verstehen, und ihre Haut fühlte sich eiskalt an.
„Ich muss etwas tun ... bitte, lass mich Hilfe holen!“
Nach gutem Zureden ließ Metaneira sie schließlich gehen.
Neaira rannte mit pochendem Herzen zurück ins Haus, wo sie Nikarte auf ihrer Kline im Andron bei den Gästen wusste. Angstschweiß lief ihr den Rücken hinunter, als sie an Metaneira dachte. In ihrer Aufregung stieß sie mit einem jungen Sklaven zusammen, der eine Amphore Wein ins Andron tragen wollte. Der Absud war zu stark , hämmerte Neairas panischer Verstand, und sie rannte weiter ohne sich nach dem verärgerten Sklaven umzusehen. Bevor Neaira jedoch ins Andron stürzen konnte, stellte sich ihr Idras in den Weg und hielt sie am Arm fest. Vergeblich bemühte sich Neaira, ihren Arm aus dem Griff der Schwarzen zu befreien. „Es muss ein Arzt gerufen werden“, schrie Neaira aufgebracht. Idras versetzte ihr eine Ohrfeige und zog sie mit sich zurück auf den Hof.
Metaneira lag blass und schwach auf ihren Polstern. Ihr Blick schien wenig davon wahrzunehmen, was um sie herum geschah. Als Idras sie sah, schüttelte sie den Kopf.
„Entweder sie schafft es oder eben nicht. Sie hätte besser aufpassen sollen - ein Arzt kann jetzt auch nichts mehr tun.“
Neaira gelang es endlich, sich von Idras loszureißen. Sie begann aufgebracht mit den Fäusten auf die dicken Arme der Schwarzen einzuschlagen. Wie konnte sie so hartherzig sein? Sah sie nicht, dass Metaneira sterben würde? „Das ist allein deine Schuld!“
Idras schubste sie wie ein lästiges Insekt von sich fort und zog ihre Weidenrute aus dem Gürtel. Zwei gezielte Schläge brachten Neaira zum Schweigen. „Zu nichts taugt ihr Mädchen, außer wozu Nikarete euch kauft! Ich hatte ihr gesagt, dass man euch trennen muss, doch sie wollte nicht auf mich hören.“ Sodann wandte sie sich um und watschelte davon. Neaira setzte sich auf den Rand des Polsters und nahm Metaneiras Hand. „Was soll ich nur tun? Wie kann ich dir helfen?“ Sie begann zu schluchzen, vor Angst um Metaneira und vor Wut, dass sie so hilflos war.
Metaneira sah die Freundin kraftlos an. Ihr Gesicht war mittlerweile so weiß als wäre es mit Bleiweiß geschminkt worden. „Lass nur, Neaira. Sie hat recht – es ist zu spät.“
Die Worte trafen Neaira ins Herz. Es durfte nicht sein!
Metaneira sollte nicht sterben. Was sollte sie denn anfangen ohne sie, ohne ihre einzige Freundin? Metaneira schien ihr Schicksal anzunehmen, wie sie es stets im Leben getan hatte. Warum kämpfte sie nicht?
„Erinnere dich daran, was ich dir gesagt habe. Such dir einen Mann, der dich von Nikarete freikauft. Du darfst nicht hierbleiben, sonst ergeht es dir eines Tages wie mir.“
Neaira nickte um der Freundin willen. „Ich verspreche es dir.“
Metaneira schien beruhigt. „Der arme Lysias – falls er tatsächlich nach Korinth kommt und mich sucht, werde ich nicht mehr da sein.“
„Ich werde ihm alles erzählen“, versprach Neaira, doch die Freundin schüttelte den Kopf. „Nein, sag ihm nichts, es ist traurig genug für ihn. Er war immer gut zu mir, und er hätte mich von Nikarete freigekauft, wenn sie es zugelassen hätte.“ Sie ließ Neaira bei Aphrodite schwören, dass sie schweigen würde. Neaira versprach es, während sie sich Tränen aus den Augen wischte. Sie hielt
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