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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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war.
    „Der Herr richtet dir Grüße aus und wünscht dir den Segen der Götter. Er kann jedoch das Talent nicht aufbringen, da er eine neue Hetäre in Athen hat, die sehr kostspielig ist.“ Kokkaline wagte kurz aufzuschauen, während sie die Hand ausstreckte. „Er hat mir das hier für dich gegeben und gesagt, dass er die Zeit mit dir genossen hat.“
    Neaira nahm mit zitternden Händen das Schmuckstück entgegen. Es war eine Brosche mit dem Abbild der Aphrodite. Sie war nicht besonders kostbar.
    Wahrscheinlich war es eines dieser billigen Schmuckstücke, das die Händler auf der Agora an Reisende verkauften.
    Ungehalten schleuderte sie es an die Wand, wo es zerbrach, da es aus rotem Ton und nur mit einer dünnen Goldschicht überzogen war. Neaira schluchzte und lachte zugleich, da es nach der langen Zeit, in der sie Simos so geschickt umworben hatte, nur ganze zwei Wochen gebraucht hatte, seine Leidenschaft für sie endgültig abkühlen zu lassen.
    Die Sonne war untergegangen und mit ihr die verheißungsvollen Freuden der Freiheit. Irgendwo in der Polis feierten die Herren mit Hetären wie Lais - freien Frauen! Im Odeion gab es eine Vorführung. Korinth erwachte ... Neaira fing den Blick von Kokkalines blauen Augen auf. Sie konnte nicht sagen, ob es Mitleid war, das sie in diesen blauen Augen sah oder Genugtuung über ihr Scheitern. Neaira wusste nur, dass Kokkaline von ihrer Demütigung und Schande wusste. Alles in ihr hätte aufschreien können, die Faust erheben, um die Götter für ihre Ungerechtigkeit anzuklagen. Neaira tobte eine Weile stumm in ihrem Räumen, zerriss den neuen Schleier, rannte ans Fenster und starrte nach draußen in die Nacht. Ich will frei sein! Dann nahm sie den schweren Gürtel aus Goldplatten von ihrem Schminktisch und schlug damit auf Kokkaline ein. In ihrem Herzen flammte der Hass, und dieser war blind. Sie schlug Kokkaline für ihren vermeintlichen Stolz, aber vielmehr galten die Schläge all jenen, von denen Neaira betrogen, benutzt und verkauft worden war. Funken tanzten vor ihren Augen, das Gesicht der Harpyie, Simos, der sie fallen gelassen hatte, Timanoridas, Eukrates ... erst als Kokkaline sich auf dem Boden zusammenkauerte, die Hände schützend um den Kopf gelegt und blutige Striemen ihren weißen Chiton durchzogen, hielt Neaira erschrocken inne. Wie Kokkaline stumm und ohne Tränen am Boden kauerte, erinnerte sie sich an das Kind und an das Mädchen, welches sie einst selbst gewesen war und das mit ebensolcher Willensstärke Idras Schlägen getrotzt hatte. Neaira ließ den Gürtel fallen und warf sich auf das Ruhebett. Nach all der langen Zeit musste sie weinen. Ihr Körper schüttelte sich als wolle er alles abwerfen, was ihm vom Leben auferlegt worden war.
    Nach einer Weile, nachdem sie erkannt hatte, dass nichts was sie tat an ihrer Lage etwas ändern würde, wischte sie sich die Tränen vom Gesicht und stand auf. Noch immer hockte Kokkaline zusammengekrümmt auf dem Boden.
    Ein leises Wimmern war alles, was sie wagte von sich zu geben. Neaira ging zu ihr und nahm das Salbgefäß, mit dem Kokkaline die roten Striemen auf ihrem Rücken behandelt hatte. Dann half sie der Sklavin vom Boden auf und war erschüttert, als sie sah, wie sehr Kokkaline sich vor ihr fürchtete. Aphrodite, lass mich nicht werden wie Nikarete , dachte sie verzweifelt. „Sei nur ruhig, ich werde dich nicht mehr schlagen, Kokkaline. Ach, es tut mir leid, dass ich mich vergessen habe. Ich will doch nicht, dass du mich hasst.
    Wen habe ich denn außer dir?“
    Kokkaline sah in Neairas braune Augen, die nun so sanftmütig aussahen. Neaira ließ sie sich auf das Ruhebett setzen und versorgte Kokkalines Rücken, wie die Sklavin es bei ihr getan hatte.

9. Kapitel
Erkaufte Freiheit
    Neaira bemühte sich, ihr Versprechen gegenüber Kokkaline zu halten. Doch es gelang ihr nicht immer.
    Obwohl sie sich sagte, dass es dumm war, brachte Kokkalines klaglose Gelassenheit Neaira immer wieder gegen sie auf. Sie versprach Kokkaline jedes Mal nach den Schlägen es nicht wieder zu tun, und jedes Mal nickte Kokkaline und blieb Neaira treu ergeben. Manchmal kam ihr Kokkaline wie ein verlorenes Kind vor, das sich wünschte, sich jemandem anzuschließen. In diesen Augenblicken zürnte Neaira ihr besonders. Was erwartete diese Sklavin von ihr? Sie konnte noch nicht einmal über ihr eigenes Leben bestimmen, aber Kokkaline schien das egal zu sein. Neaira fühlte sich immer mehr wie ein gefangenes Tier in ihren

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