Der Gesang des Satyrn
leben sollte. Neaira verschluckte Wut und Hass, von denen sie nicht wusste, gegen wen sie beides richten sollte – gegen Nikarete, die sie in einem letzten grausamen Streich an zwei Männer verkauft hatte, gegen Timanoridas und seine rohe Lust, die er ihr nun rücksichtsloser aufdrängen würde als je zuvor oder gegen den ihr noch unbekannten Eukrates. Wie viel mehr als eine Ziege oder eine Kuh konnte sie einem solchen Mann wert sein, der sie kaufte, ohne sie einmal angesehen zu haben.
Sicherlich rieben sich beide Männer die Hände, da sie die berühmte Neaira für einen Spottpreis erworben hatten.
Timanoridas Haus war düster, da vor den Fensteröffnungen Bäume standen und Timanoridas sich keine große Mühe gegeben hatte es gemütlich einzurichten.
Er war kein gemütlicher Mann – Neaira wusste das nur zu gut.
Er brachte sie in die Frauengemächer im Obergeschoss des Hauses, die ebenso schmucklos waren wie der Rest des Hauses. Timanoridas war unverheiratet, und die Räume waren noch nie bewohnt worden. Beinahe meinte Neaira, dass sie eher der Zweckmäßigkeit des Wegsperrens als dem Wohnen dienten und musste feststellen, dass dem auch so war. Timanoridas schloss sie in die Frauenräume ein als wäre sie seine Gattin. Trotzdem brachte er ihr kaum die Achtung entgegen, welche der Gatte seiner Frau entgegenzubringen hatte. Tränen der Wut liefen Neaira über die Wangen als Timanoridas sie endlich alleine ließ.
Ohne Hoffnung sah sie sich in ihrem neuen Reich um, betrachtete die kahlen Wände, das einfache Bett, welches für Timanoridas Zwecke ausreichend wäre; Neaira trat ans Fenster und sah hinaus in den vorgelagerten Hof. Sie, welche die Gesellschaft der berühmtesten Männer geteilt, die verschwenderischsten Feste gefeiert und die Vorführungen des Odeions besucht hatte, war an einem einzigen Tag wieder zur Sklavin geworden – eingesperrt und bewacht.
Timanoridas kam noch am gleichen Abend zu ihr, mit dem Geruch säuerlichen Weines im Atem. Ein feiner Schweißfilm lag auf seiner Oberlippe. Zuerst gaffte er nur, begrapschte sie mit seinen groben Händen und befahl ihr, den Chiton auszuziehen. Wie eine Porne , ging es Neaira durch den Kopf, dann warf er sie auf die Schlafkline. Wie sie es befürchtet hatte, fiel der letzte Zug seiner Zurückhaltung von ihm ab, da er diese nun nicht mehr teuer bezahlen musste. Zu seinem Lustgewinn schlug er Neaira mit einem ähnlichen Stock, wie es einst Idras getan hatte, war dabei jedoch kaum so geschickt, wie die schwarze Sklavin es gewesen war.
„Dieser Simos hat dich allein für sich beansprucht. Du bist hochnäsig geworden und hast dich von ihm aushalten lassen. Aber jetzt gehörst du mir“, sagte er mit heiserer Stimme, als er Neaira auf die Knie drapierte, mit seinen groben Händen packte und über sie herfiel. „Ich kann dich haben, wann immer ich will!“
Wäre sie doch ein Vogel gewesen, einer mit scharfen Klauen, um ihm die Augen auszureißen und einem großen Schnabel, um das Ding zwischen seinen Beinen zu zerfleischen!
Neaira schluckte die Tränen hinunter und ließ all die Dinge klaglos über sich ergehen, die Timanoridas mit ihr tat. Als er sie gegen Morgengrauen verließ, erstickte Neaira ihre Schreie der Wut und der Verzweiflung mit ihrem Kissen.
„Das ist Kokkaline! Von nun an ist sie deine Sklavin, wird dir bei den anfallenden Arbeiten zur Hand gehen und dir Gesellschaft leisten, wenn ich nicht bei dir bin.“
Timanoridas schob ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen in Neairas Räume, das mit zu Boden gesenktem Blick vor Neaira stehen blieb.
An Kokkaline gewandt fuhr er fort: „ Pack die Dinge für deine Herrin zusammen. Ihr Herr Eukrates wartet im Andron, um sie abzuholen.“
Neaira sah ihm hinterher, als er die Tür hinter sich schloss. Zermürbt von der Langeweile und den Demütigungen der letzten Woche betrachtete sie das Mädchen und bemerkte erstaunt, dass seine Augen so blau waren wie das Meer im Hafen von Piräus. Eine schmerzvolle Erinnerung an ihren Besuch mit Simos in Athen verdarb ihr den Rest der Laune. Obwohl Kokkalines Haar kurz geschnitten war und sie den Sklavenchiton trug, versetzte Neaira ihr Anblick in Wut. Die strahlend blauen Augen, die so klar und ungebrochen den Boden anstarrten, ihre Jugend und der gerade Rücken – alles an Kokkaline schien sie zu verhöhnen. Sie war nur eine Sklavin, doch Neaira war diejenige von ihnen, die blaue Flecken auf Rücken und Hintern hatte. Ganz Korinth und Athen hat meinen Namen mit
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