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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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meinen Körper, auch mein Gemüt. Dies hier hat nichts mehr mit den Reizen Aphrodites zu tun. Wenn eine Frau einmal geboren hat, wendet die Göttin sich von ihr ab.“ Sie jammerte und fluchte die gesamte Nacht.
    Neaira gebar ihre Tochter am frühen Morgen. Als Thratta ihr den Säugling in den Arm legte, betastete Neaira die kleinen Hände und das verschrumpelte Gesicht, welches rot anlief, als das Kind zu schreien begann. Neaira versuchte es zu beruhigen, wiegte es einige Male hin und her und legte es an die Brust, wo es zufrieden verstummte.
    Dieses Kind ist ein Teil von mir, warum habe ich das Gefühl etwas Fremdes im Arm zu halten? Als Stephanos kam, nahm er ihr das Kind ab und strich ihm das flaumige Haar aus der Stirn.
    Der Blick, den er seiner Tochter schenkte, enthielt sowohl Zärtlichkeit als auch Pflichtgefühl. Neaira wusste in diesem Augenblick, dass Stephanos sie nie verlassen würde. Sein Pflichtgefühl und die Liebe zu seiner Tochter würden ihn an sie binden. Aber gefiel ihr diese neue Art der Zuneigung? Sie war verlässlicher als die Leidenschaft, doch kaum schmeichelhafter für eine Frau. „Ich fürchte Phrynions Rache in Athen“, bekundete Neaira mit schwacher Stimme, um sich von den widersprüchlichen Gefühlen, die sie gegenüber ihrer Tochter empfand, abzulenken.
    Stephanos beruhigte sie. „Ich werde dich beschützen.
    Du bist meine Gefährtin und die Mutter meiner kleinen Tochter. Du musst dich nicht sorgen.“
    Neaira erinnerte sich, dass auch Phrynion ihr einmal versprochen hatte, sie zu schützen. Er ist nicht Phrynion , ermahnte sie sich.
    Stephanos gab ihrer gemeinsamen Tochter den Namen Phano und legte sie wieder in Neairas Arme. Verzweifelt suchte Neaira nach einem Gefühl der Wärme in ihrem Herzen für ihr Kind. Doch es wollte sich einfach nicht einstellen. Stattdessen empfand sie Mitleid mit dem ahnungslosen Kind, das von seiner Mutter ebenso wenig Liebe zu erwarten hatte wie Neaira einst von ihrer eigenen.
    Es wäre besser gewesen, wenn sie ein Junge geworden wäre - denn was hatte dieses Mädchen schon vom Leben zu erwarten? Ich hoffe für dich, dass dir allzu große Schönheit erspart bleibt. Sie ist nicht gut für ein Mädchen . Neaira beschloss dieses Kind anzunehmen, auch wenn sie nicht das fühlte, was eine Mutter hätte empfinden sollen. Sie wusste, dass sie es nicht konnte; aber sie hatte dieses Kind geboren, um ihre Zukunft zu sichern. Reumütig schwor Neaira, dass sie ihr Kind beschützen und vor einem Leben bewahren würde, wie es ihr selbst aufgezwungen worden war. Dies, so beruhigte sie sich, war schließlich auch eine Art von Liebe.

14. Kapitel
Sünden der Vergangenheit
    Nach der Geburt Phanos überließ Neaira Stephanos den Verkauf ihres Hauses in Megara und der verbliebenen Habseligkeiten. Sie schickte Kokkaline zur Agora, ihr schlichtere Gewänder zu kaufen und die Alten an die Huren im Haus der Wirtin zu verschenken. Für Phila hatte sie Kokkaline die letzten Ohrgehänge mitgegeben, die sie von Phrynion zum Geschenk erhalten hatte. Diese Geste, so meinte sie zu Kokkaline, würde Phila zugutekommen und für sie selbst ein Zeichen des endgültigen Abschieds an ihre Vergangenheit sein. Zuletzt gab sie auch noch die Weinschale fort, die sie als Erinnerung an Phrynion behalten hatte. Gedankenverloren drehte Neaira die Schale in den Händen, auf deren Grund eine Frau und ein Mann in hemmungsloser Umarmung abgebildet waren. Es war vorbei, den Satyr und die Mänade gab es nicht mehr.
    „Verkaufe sie an einen, der sein Herz noch nicht bis zur Neige geleert hat“, wies sie Kokkaline an.
    Neaira hatte beschlossen, unauffällig in Athen zu erscheinen. Aufmerksamkeit wollte sie dieses Mal unter keinen Umständen erregen. Obwohl Stephanos ihr versichert hatte, dass sie Phrynion nicht zu fürchten brauchte, plagte sie Angst. Zwar kannte Stephanos ihre Geschichte, doch wie würde er sich verhalten, wenn sie von der Vergangenheit eingeholt werden würden? An dem Tag, als Neaira ihr schönes aber nun leeres Haus verließ, atmete sie tief durch und wandte sich nicht mehr um. Es hätte ein schönes Heim werden können, doch nun würde ein neues und friedlicheres Leben an der Seite von Stephanos beginnen. Es war gut so, auch wenn es sich noch nicht gut anfühlte.
    Sie verließ Megara in einem überdachten Eselskarren, begleitet von Thratta und Kokkaline, die sich neben sie kauerten. Thratta hielt die kleine Phano im Arm, die vom ersten Umzug ihres Lebens nichts mitbekam. Sie

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