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Der Gesang des Satyrn

Der Gesang des Satyrn

Titel: Der Gesang des Satyrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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sich längst an das weiche Pfötchen in seinem Nacken gewöhnt. Neaira jubelte innerlich. Sie hatte Stephanos mit List dahin geführt, wo sie ihn haben wollte.
    Mit gekonnter Hingabe erwiderte sie seinen Kuss und war überrascht, dass ihr eigenes Spiel auch sie mit Zuneigung für ihren Gast erfüllte. Sie hatte erwartet seine Lippen würden ihr egal sein, seine Berührungen sie nicht erreichen.
    Doch als Stephanos sie küsste, fühlte Neaira eine sanfte Wärme in ihrem Herzen, wenngleich es ihr auch besser als Stephanos gelang ihre Gefühle wohldosiert zuzulassen und ihren klaren Verstand zu bewahren. Als Stephanos sich in dieser Nacht von ihr verabschiedete und in sein Zimmer ging, war die tote Gattin zu einem Schatten des Hades geworden.
    Als er sie am nächsten Abend auf die Schlafkline zog und sie seine Haut auf der ihren spürte, fühlte Neaira erneut wohlige Wärme – keine verglühende Hitze, wie sie bei Phrynions Umarmungen empfunden hatte, nur eine angenehme Wärme, weder zu heiß noch zu kühl.
    Stephanos war ein rücksichtsvoller Liebhaber, der sich bemühte ihr zu gefallen. Obwohl sie in seinen Armen nicht jene Lust und Ausgelassenheit empfand wie einst in Phrynions, waren Stephanos Berührungen wie wärmende Umschläge auf ihrem vernarbten Herzen. Trotzdem mahnte sich Neaira zur Wachsamkeit. Vertrauen hatte ihr im Leben nichts als Enttäuschung eingebracht. Sie driftete nicht auf einem Meer lauwarmer Versprechen davon, wenn sie in Stephanos Armen lag. Tatsächlich beobachtete sie ihn heimlich, versuchte jede seiner Gesten zu deuten und Hinterlist bei ihm zu entdecken. Aber seine Augen lachten, wenn er sie ansah, und sein Gemüt schien weder große Leidenschaften noch Abgründe zu kennen. Stephanos war ein bescheidener Mann, der von Intrigen und Machtspielen nichts wusste. Er liebte sie nicht, aber er brauchte sie und hatte sich an ihr beruhigendes Schnurren gewöhnt. Neaira beschloss einen weiteren Schritt zu wagen, als sie in Stephanos Augen die Zufriedenheit sah, welche einen rastlosen Mann zur Ruhe bringt. Eines Nachmittags rief sie Kokkaline zu sich. Der Mondumlauf, den Stephanos hatte bleiben wollen, war schon um eine Woche überschritten.
    „Ab heute will ich keine Bleisalbe mehr benutzen.“
    Die Sklavin sah ihre Herrin erschrocken an und ließ fast den Kamm fallen, mit dem sie Neairas langes Haar hatte frisieren wollen. „Aber Herrin, willst du denn ein Kind empfangen?“
    Neaira blieb ihr eine Antwort schuldig und erklärte noch einmal, dass Kokkaline alles Bleiweiß aus dem Haus schaffen sollte. Erst als die Sklavin nickte, nahm Neaira ihren Bronzespiegel und betrachtete ausgiebig ihr Gesicht.
    Bald würde Stephanos sich seiner Kinder und seiner Verpflichtungen in Athen erinnern, denn er war ein pflichtbewusster Mann. Ich schenke dir, Stephanos, den Rest meiner Jugend und meiner Schönheit und erlege dir damit eine neue Pflicht auf. Enttäusche mich nicht! Obwohl das Leben mich berechnend gemacht hat und mein Herz kühler geworden ist, empfinde ich echte Zuneigung zu dir und werde deine Gefährtin sein.
    Neaira wurde ungeduldig. Thratta und Kokkaline taten alles, um ihre Herrin bei Laune zu halten, zumal Stephanos ihr mitteilte, dass er sich bald um seine Söhne würde kümmern müssen. Neaira ließ Kokkaline die beste Myrrhe für Aphrodite opfern, damit die Göttin ihre Gebete erhörte, während sie Stephanos mit Wein, gutem Essen und Liebe sättigte, sodass er seinen Aufbruch noch einmal verschob. Aphrodite fand Gefallen an ihren Opfern – nach zwei Mondumläufen, in denen Neaira sie angefleht, verflucht und ihr sogar gedroht hatte.
    „Ich bin schwanger“, teilte sie Stephanos eines Abends mit. Sie lagen nebeneinander auf ihrer Schlafkline.
    Stephanos hatte wieder einmal zu verstehen gegeben, dass er nach Athen zurück müsse. Jetzt sah er sie an, bedeckte die Augen mit der Hand und stöhnte laut. Noch eine Sorge, vor der er zu gerne davongelaufen wäre. Neaira wusste, dass er es trotzdem nicht tun würde. Er kannte ihre Geschichte und wusste um die Ausweglosigkeit ihrer Lage, da sie mit einem Kind im Bauch keinerlei Möglichkeiten mehr hätte ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Stephanos war ein pflichtbewusster Mann! Er rückte nicht von ihr ab, er geriet nicht in Wut und schlug sie auch nicht – trotzdem musste Neaira eine schlaflose Nacht verbringen, ehe er eine Entscheidung traf.
    Am nächsten Morgen kam Stephanos zu ihr. „Komm mit mir nach Athen. Ich habe nicht so ein großes

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