Der Gesang des Wasserfalls
Geschichte. Bis heute hat sich Guyana unter der neuen demokratischen Regierung nicht davon erholt, trotz allen guten Willens. Korruption ist allgegenwärtig, und es ist kein Geld vorhanden, um die Genesung voranzutreiben. Es wird ein langwieriger Prozess werden.«
»Und was ist das für eine sagenhafte Geschichte über den Tod des armen alten Diktators?«
»Der Bericht, den wir bekommen haben, liest sich halb wie eine Farce, halb wie ein Thriller.«
»Erzähl schon.«
»Forbes Burnham ging ins Krankenhaus von Georgetown, um sich am Kehlkopf operieren zu lassen, weil er damit Probleme hatte und auf einer riesigen Kundgebung zur Befreiung der afrikanischen Sklaven sprechen sollte – er war selbst afrikanischer Herkunft. Also ließ er Spezialisten aus Kuba einfliegen, weil er sich weigerte, den örtlichen Ärzten zu vertrauen. Offenbar hielt er sich für unverletzlich, lehnte sämtliche voroperativen Untersuchungen ab und kam am Morgen der Operation ins Krankenhaus gerauscht. Die kubanischen Arzte hatten keine Ahnung, dass er 1977 einen Herzanfall erlitten hatte, und direkt nach der Operation kam es zu einem Herzstillstand. Was dann passierte, ist zu einer guyanischen Legende geworden. Die Ärzte rannten zum Schrank, um das Wiederbelebungsgerät herauszuholen. Der Schrank war abgeschlossen. Niemand wusste, wer den Schlüssel hatte, also brachen sie den Schrank auf, nur um zu entdecken, dass das Gerät geklaut worden war. Burnham starb an Herzversagen, als Opfer der chaotischen Zustände, die er selbst verursacht hatte. Die Ärzte wurden eilig außer Landes geschafft, um eine Untersuchung der Vorfälle zu vermeiden. Und in der offiziellen Verlautbarung über den Tod des Präsidenten wurden alle Feste und Feiern verboten.«
»Du meinst, die Leute waren froh darüber?«
»Wohl eher erleichtert, weil sie die Nase voll hatten. Angeblich sollen guyanische Emigranten, als die Nachricht per Lautsprecher in einem Einkaufszentrum von Miami übertragen wurde, zu tanzen und zu jubeln angefangen haben. Wie auch immer, Burnham wurde mit großem Pomp und Zeremoniell beerdigt. Dann beschlossen seine Anhänger, die Leiche zu exhumieren, einzubalsamieren und in einem Mausoleum im Botanischen Garten aufzubahren wie Lenin in Moskau, damit spätere Generationen ihn dort bewundern könnten.« Matthew machte eine Pause, als die Kellnerin mit ihrem Essen kam.
»Als erstes planten sie, den Leichnam auf einer offenen Lafette durch die Stadt zu fahren – vergiss nicht, der Ort liegt nicht weit vom Äquator. Und in der Leichenhalle fiel der Strom aus. Also zog die Beerdigungsprozession in der Kühle des Nachmittags los, vorbei an riesigen Menschenmengen. Dann wurde die Leiche eilends zurück in die Leichenhalle gebracht, wo die Kühlkammern inzwischen wieder funktionierten.«
Matthew schaute zu Madi, die mit einem Ausdruck des Unglaubens und der Belustigung im Gesicht die Gabel mit dem Essen in der Luft hielt. »Erzähl weiter.«
»Danach dauerte es zehn Tage, die Leiche aus Guyana herauszubringen und zur Einbalsamierung nach Russland zu fliegen. Ein bürokratischer Alptraum. Sie wurde zuerst nach Kuba geflogen, wo der Sarg von den Beamten in Havanna offenbar mit wenig Respekt vor dem ehemaligen hohen Regierungsamt des Toten behandelt wurde. Also taucht der verstorbene Präsident erst drei Wochen nach seinem Ableben in Moskau auf. Inzwischen wird in Guyana in aller Eile der Bau eines großartigen Mausoleums im Botanischen Garten geplant, für zwei Millionen Dollar zu Lasten der öffentlichen Hand. Die Kosten für eine Klimaanlage oder einen Notstromgenerator zur Kühlung der Kammer, in der der Leichnam aufgebahrt werden sollte, waren allerdings durch das Budget nicht abgedeckt. Andere Faktoren wie die Bewachung und Wartung der elektrischen Anlage wurden ebenfalls übersehen. Derweilen spaltete sich Burnhams Partei in eine ideologische Fraktion auf der einen Seite und eine pragmatische Fraktion mit einem Sinn für die neue Ordnung auf der anderen. Was dazu führte, dass Ende 1986, mehr als zwölf Monate nach seinen Tod, die sterblichen Überreste von Forbes Burnham in einer bescheidenen Zeremonie auf dem ehemals für das Mausoleum vorgesehenen Platz neben den Sieben Teichen im Botanischen Garten bestattet wurde, wo er nun anscheinend – und endgültig – ruht.«
Madi schüttelte leicht verwirrt den Kopf, während sie in ihrem Salat herumstocherte. »Warum um alles in der Welt will deine Firma ausgerechnet dorthin?«
»Aufgrund
Weitere Kostenlose Bücher