Der Gesang des Wasserfalls
einer Initiative der Internationalen Finanzorganisation. Ein Vertreter der IFO – übrigens ein Australier – ist bereits dort. Offenbar hat er entschieden, dass diese Bauxitmine namens Guyminco eine Sanierung wert ist. Jetzt nimmt er Angebote von Unternehmensberatern entgegen, und damit kommen wir ins Spiel. Stewart Johns, unser Geschäftsführer, meint, es wäre genau das Richtige für uns.«
»Und du freust dich auf diesen Auftrag?«
»Ja, du kennst mich doch, ich reise wahnsinnig gern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen bekomme ich so die Gelegenheit, längere Zeit in einem fremden Land zu verbringen, Land und Leute kennenzulernen. Anscheinend ist es das, was Johns den Mund wässrig gemacht hat. Er war schon drüben, hat sich alles angesehen, bevor wir entschieden haben, ob wir ein Angebot unterbreiten. Nach der Sitzung hat er mir erzählt, dass eine Art Zauber über der Gegend liegt. Und vor allem über den Menschen. Trotz aller Probleme meint er, dass wir den Aufenthalt dort genießen werden. Eine stimulierende Herausforderung hat er es genannt. Außerdem hat er gesagt, ich soll im Antrag für das Visum unbedingt nein ankreuzen bei der Frage: ›Haben Sie vor zu predigen?‹«
»Wieso das denn?«
»Erinnerst du dich an den schrecklichen Vorfall mit Reverend Jim Jones aus San Francisco und seinen 900 Anhängern, die nach der Ermordung eines amerikanischen Kongressabgeordneten Massenselbstmord begangen haben?«
Madison hob die Augenbrauen. »O ja, stimmt. Prediger nicht willkommen, was?«
»Sieht so aus. Man hat nie herausbekommen, welchen Deal er mit Burnham abgeschlossen hat, um Jonestown errichten zu können. Es hat nie eine Untersuchung stattgefunden, und keiner weiß, was mit all dem Geld und den Wertsachen passiert ist, die angeblich im People's Temple aufbewahrt wurden.«
»Ich frage mich, was davon wohl noch übrig ist.«
»Seit 1978 … nicht viel, schätze ich. Außerdem lag der Tempel irgendwo am Ende der Welt, nahe der venezolanischen Grenze, sagt Johns.«
»Klingt auf jeden Fall außergewöhnlich. Wie rau sind die Lebensbedingungen?«
»Schwer zu sagen. Ich werde viel Zeit in der Mine verbringen, die ein ganzes Stück außerhalb der Stadt liegt. Aber meine Ausgangsbasis habe ich in der Stadt. Ich muss Verbindung mit Regierungsbeamten und so weiter aufnehmen. Vermutlich werde ich mir mit Kevin Blanchard, unserem Ingenieur, ein Haus teilen. Johns bleibt in der Mine. Georgetown ist nicht allzu sicher, gewiss kein touristisches Reiseziel wie die meisten anderen Orte in der Karibik. Und sozusagen vor der Hintertür liegen Brasilien und der Amazonas. Weißt du, wer dort war?«
Madison schüttelte den Kopf.
»Sir Walter Raleigh. Er hat dort nach der sagenhaften Goldenen Stadt gesucht, dem verlorenen El Dorado.«
»Du machst Witze!«
»Ich werde sehen, ob ich das Buch auftreiben kann, und es lesen. Er hat über seine Expedition geschrieben und berichtet, wie er durch eine Geschichte über einen ›goldenen Mann‹ dazu verlockt wurde.«
»Wer war das denn?«
»Ein König aus alten Zeiten, dessen Frau und Tochter sich in einem See ertränkten, weil er sie misshandelt hatte. Um die Götter zu versöhnen und Frau und Tochter zurückzuholen, bemalte der König sich mit Goldstaub und warf Gold in die Mitte des Sees. So entstand die Legende von El Dorado, der Goldenen Stadt. Raleigh fand weder den See noch das Gold, aber er beschrieb in glühenden Worten das, was heute Guyana ist. Wer weiß … ist doch eine hübsche Vorstellung, sich auszumalen, dass es da irgendwo im Regenwald immer noch eine verborgene Stadt aus Gold gibt.«
»Ich seh dich schon als Wochenendgoldgräber … Wahrheit oder Mythos, es ist trotzdem eine gute Geschichte«, lachte Madison. Über Matthews begeisterter Schilderung seiner neuen Herausforderung hatte sie ihre eigenen Sorgen vergessen.
»Nun ja, wir wissen, dass es dort Gold gibt. Und Diamanten. Wahrscheinlich alle Arten von Bodenschätzen. Aber da der größte Teil des Landes von Regenwald bedeckt ist, kommt man nur schwer an sie ran.«
»Warum lässt man sie dann nicht, wo sie sind?«
»Das Land ist arm, und wenn es reiche Bodenschätze besitzt, sollten sie nutzbar gemacht werden … natürlich auf verantwortungsvolle Weise«, fügte er hastig hinzu, denn er war sich der Sympathie seiner Schwester für ›grüne‹ Politik bewusst. »Lass uns nicht mit philosophischen Umweltdiskussion anfangen.«
»Ich weiß, dass die Bergbauindustrie dein Leben
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