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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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zweifingerbreite Kanten Brot ab, die sie daneben auf den Boden legten.
    »He, wir haben eine Kranke unter uns!« Das junge Mädchen neben Maria Christina drängte sich nach vorn. »Sie braucht Milch oder sonst was Anständiges, damit sie wieder zu Kräften kommt.«
    Die Männer antworteten nicht.
    »He, habt ihr mich verstanden?«
    Die Männer zogen den Proviantkarren zurück, aber ehe sie die Tür schließen konnten, stürzte das Mädchen vor, und dann alle Frauen, auch die ganz alten.
    Sie schlugen auf die beiden Männer ein, die ihnen das Essen gebracht hatten, Tag um Tag nichts anderes als Brot und Zwiebeln und abgestandenes Wasser.
    Die Posten schrien: »Hört auf, hört auf! Seid doch vernünftig! Wir müssen sonst schießen!«
    Maria Christina wollte auf die Füße kommen, aber ihre Knie knickten ein, sie zog sich an der Wand hoch.
    »Hört auf!« rief sie. »Seid doch vernünftig. Ich bitte euch. Ihr macht alles nur noch schlimmer.«
    Die Posten riefen: »Wir wollen nicht schießen! Wir haben selbst nichts Besseres zu essen als ihr! So glaubt uns doch!«
    Aber die Frauen stürmten durch den Flur, die Männer hinter ihnen drein, die Posten jetzt mit entsicherten Gewehren. Maria Christina hatte über dem Tumult ganz genau das Schnappen der Gewehrschlösser gehört.
    Die Frauen schrien: »Wir wollen nicht verrecken! Wir wollen nicht verrecken! Wir wollen nicht verrecken!« Und aus den anderen Zellen schrien andere: »Wir wollen nicht verrecken!«
    Eine Pforte aus dicken Eisenstäben versperrte den Frauen den Weg. Dahinter war es Tag, sie konnten in einen viereckigen Hof sehen, wo Posten patrouillierten.
    Direkt vor der Pforte stand ein mittelgroßer Mann, der auf einer einfachen, feldgrauen Tunika nur ein Lederkoppel, aber keine Waffe trug.
    »Ruhe!« sagte er laut und fest, und die Frauen verstummten.
    Er musterte sie mit grauen Augen und einem fest zusammengepreßten Mund. »Ihr bekommt zu essen, was wir euch geben können. Wir haben selbst nicht viel mehr, und unsere Männer müssen kämpfen.«
    »Kämpfen!« sagte das Mädchen verächtlich, das im fünften Monat schwanger war. »Uns armseligen Haufen bewachen, das tut ihr. Warum sind wir denn zu Huren und Diebinnen geworden? Weil ihr den Frieden kaputtgemacht habt, und da sperrt ihr uns auch noch ein!«
    »Wer ist die Kranke unter euch? Und warum habt ihr sie nicht früher gemeldet?«
    »Wir haben es diesen Ochsen von Wächtern gesagt, aber die haben ja keine Ohren und Augen. Deswegen schickt ihr sie uns doch.«
    »Ihr werdet heute mittag alle ein Bohnengericht bekommen«, sagte der Grauäugige, »und morgen eine ordentliche Portion Fleisch. Bringt jetzt die Kranke zu mir.«
    Ein paar der Frauen eilten den Gang zurück und holten Maria Christina. Sie schoben sie vor sich her bis an die eiserne Pforte.
    »Wie heißt du?« fragte der grauäugige Mann, der sie schon so viele Male verhört hatte.
    »Maria Christina de Valquez y Ortega.«
    »Ihr anderen seid jetzt vernünftig und geht in eure Zelle zurück. Ich halte mein Versprechen, das ich eben gegeben habe. Und du bleibst hier stehen«, fügte er zu Maria gewandt hinzu.
    Murrend und grollend wichen die Frauen zurück und gingen wieder in ihre Zelle.
    Die Posten schlossen die Tür hinter ihnen ab. Die Wärter, flankiert von den Posten, teilten weiter Brot und Wasser in den anderen Zellen aus.
    »Sergeant«, sagte der Grauäugige, ohne Maria Christina aus seinem Blick zu lassen, »schließ die Pforte auf.«
    Ein Junge mit einem flachen, dunklen Gesicht unter gekraustem, schwarzem Haar eilte herbei, zog mit wichtigen Bewegungen einen Schlüssel aus der Tunika und öffnete die Pforte.
    »Hilf ihr in mein Büro«, sagte der Grauäugige, wandte sich ab und ging rasch davon. Er trug Stiefel, die nicht blankgeputzt, sondern sehr staubig waren, und sein Gang zeugte von Müdigkeit. Beinahe wäre es ihm gelungen, daß Maria Christina Mitleid mit ihm empfand.
    Der junge Sergeant stützte erst ihren linken Ellenbogen, dann sagte er: »Es ist besser, Sie legen Ihren Arm um mich und ich meinen um Sie, so kann ich Sie besser führen.«
    Es war ein klarer, sonniger Tag, aber immer wieder schwärzte er sich an seinen Rändern, weil Maria Christina so schwach war, und sie hörte, wie sie rasselnd und mühsam atmete.
    Im Dienstzimmer des grauäugigen Offiziers stand ein kleiner Tisch gedeckt, nahe dem Fenster.
    In einem Tonkrug war süßer Milchkaffee, und auf dem Teller daneben lagen dünne Scheiben gebratenen Specks zu dem

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