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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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dunklen, schwarzen Brot.
    »Das ist alles, was ich Ihnen geben kann. Essen Sie, und lassen Sie sich Zeit.«
    Er beschäftigte sich mit Papieren auf seinem Schreibtisch, und Maria Christina beobachtete ihn, nicht er sie, während sie langsam kaute, damit ihr Magen die Speisen aufnehmen und behalten würde.
    »Wer ist Brenski wirklich?« fragte er plötzlich.
    Sie kaute das Brot, blieb still.
    »Du mußt es doch wissen. Du bist mit ihm und dem anderen gefangengenommen worden.«
    »Ich weiß nichts«, sagte sie. »Es waren nur zwei Männer, die mich ein Stück des Weges begleitet haben.«
    »Warum haben sie dich begleitet?«
    »Weil ich alleine war und es für eine Frau gefährlich ist, in diesen Zeiten allein zu sein.«
    »Wollten sie mit dir nach Córdoba?«
    »Warum sollten sie?«
    »Antworte mir! Die Fragen stelle ich.«
    »Ich habe meine Familie in Córdoba. Meine Mutter und meinen Vater, die glauben, daß ich tot bin, weil unser Kloster überfallen wurde. Ich muß nach Hause.«
    »Hör auf, hör auf, das hast du mir schon dutzende Male gesagt. Wer ist Brenski?«
    »Ich kenne keinen Brenski.«
    »Was hatte er vor? Warum war er mit dir zusammen?«
    »Er war nur ein Weggefährte, der Mann, den Sie so nennen. Ich habe seinen Namen nie gehört. Nur von Ihnen.«
    Der Grauäugige trat neben Maria Christina, schaute auf den leeren Teller und den leeren Tonkrug.
    »Fühlst du dich kräftiger?« fragte er.
    »Ja, danke«, sagte sie.
    »Dann kannst du gehen.«
    Sie stand auf.
    »Wohin?« Sie sah ihn an.
    »Geh nach Hause«, sagte er, und es klang beinahe weich.
    Die Hitze flimmerte über der Straße wie früher das Cellophanpapier, das zur Erntezeit überall durch die Küche zu wehen schien, wenn die Köchin und die Mägde die Beeren putzten und die Pfirsiche und die Frühbirnen einweckten.
    Der Himmel schimmerte blaugrün wie die Seide ihres ersten Tanzstundenkleides, als spiegle sich in ihm das Grün der Felder wider.
    Zum erstenmal seit Kindertagen lief Maria Christina wieder barfuß, denn in der Erregung, in der Erleichterung, das Gefängnis zu verlassen, hatte sie ihre Sandalen in der Zelle vergessen.
    Es gibt bestimmt Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die immer barfuß laufen müssen, bis an ihr Lebensende, dachte sie, und selbst auf unserer Finca gab es die Kinder der Knechte, die barfuß liefen, hätte mein Vater ihnen nicht für den Regen und den Winter Schuhe gekauft.
    Das einzige Mal, daß sie ihren Vater wirklich außer sich vor Zorn gesehen hatte, war, als der Knecht Ignaz die Schuhe seiner Kinder verkaufte, um Geld für Würfelspiel und Branntwein zu haben.
    Beinahe hätte ihr Vater Ignaz geschlagen. Aber er tat es nicht, weil dessen Frau dazwischentrat und sagte: ›Herr, wenn Sie ihn schlagen, wird er mich schlagen. Wenn Sie ihn vom Hof jagen, wird er Ihnen das Dach über dem Kopf anzünden, und dann sind wir alle obdachlos.‹
    Maria Christina hatte genau gesehen, wie der Zorn aus den Augen ihres Vaters wich, und gehört, wie seine Stimme wieder leiser und beherrschter klang, als er sich der Frau zuwandte.
    ›Bestraft werden muß er. Was schlägst du vor?‹
    ›Geben Sie ihm ein Drittel seines Lohns, damit er ihn verprassen kann, und mir den Rest. Ich werde dann schon dafür sorgen, daß Ignaz Ruhe hält.‹
    Einen Monat später fand man Ignaz erhängt in der Molkerei, der er vorstand.
    Ihr Vater knüpfte ihn ab, ließ den Pfarrer und den Leichenbestatter kommen. Dann rief er Ignaz' Frau zu sich. Er sprach lange mit ihr, hinter verschlossener Tür. Danach trug sie Witwenkleidung und übernahm die Arbeit in der Molkerei. Ihre älteste Tochter behütete die kleineren Kinder.
    Im Dorf wurde gemunkelt, Ignaz sei vergiftet worden und dann erst aufgehangen, so daß es nach Selbstmord aussah. Wenn Ignaz' Witwe eine Mörderin war, dann trug sie ihren Kopf verdammt hoch.
    Aber ins Gesicht wagte dies niemand der Witwe zu sagen, denn sie war eine fleißige und aufrechte Frau und ihren Kindern eine gute Mutter. Niemals sah sie einen anderen Mann an, obwohl sie kaum dreißig war.
    Ich spielte mit Ignaz' Kindern, und im Herbst suchten wir Brombeeren, und die Jungen fingen Kaninchen, die wir über offenem Feuer brieten.
    Wenn es regnete und im Winter – manchmal fiel ja auch bei uns Schnee – trugen sie nun immer Schuhe.
    Vor Maria Christinas Augen entrollte sich die Straße wie ein hellgelbes Band, Hügel waren fern und manchmal nah, in der steilen Mittagssonne schwarze Buckel, und später färbten sie

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