Der Gesang von Liebe und Hass
Nacionales gegenüber.
Sie sprangen sich an. Stumm rangen sie miteinander. Der Colonel hatte beide Hände um den Hals des Gegners gelegt, drückte zu, so fest er konnte, und er spürte den Dolch, den der andere benutzte, und wie er ihm die Eingeweide zerfetzte. Er drückte noch fester zu, und die Halswirbel des Schwarzen knackten. Sie fielen beide zu Boden, und so starben sie, der Oberst der Internationalen Brigade, Carlos Bienvenida, und der Sergeant der vierten Kompanie des 2. marokkanischen Kolonialregiments, Dauda Onega.
11.
Sie krochen den Hang hoch, Zweige peitschten ihnen ins Gesicht, Dornen ritzten ihre Haut, und es war so, als wollte der Wald sie nicht aufnehmen, weil sie das Übel der Menschen mit sich brachten.
Lieber Wald, hilf uns, flüsterte Maria Christina. Laß uns ein, verbirg nicht deine Tore vor uns.
Sie trug das Bündel mit ihren kargen Vorräten und die MP. Brenski, sein Sturmgepäck auf dem Rücken, hieb mit der Machete aus dem Klostergarten ins Unterholz, legte eine Passage frei, die sie auf eine Lichtung führte. Dort blieben sie beide keuchend stehen. Sie drehten sich um und sahen unter sich das brennende Kloster und die brennenden Wracks der Panzer und der Lastwagen der Internacionales, die ihnen zu spät hatten zu Hilfe kommen wollen.
Brenski schaute durch sein Fernglas hinunter, drehte an den Okularen, hatte dann den alten Wehrgang scharf in den Linsen. Er sah zwei Männer, die miteinander rangen, zwei Titanen, so schien es, groß und mächtig, und voller Überraschung und mit tiefer Betroffenheit erkannte er seinen Kommandeur, Colonel Carlos Bienvenida. Aber dann schlugen Rauch und Flammen über den beiden Figuren zusammen, und als der Rauch abtrieb, sah er die beiden Männer regungslos, den Colonel auf seinem unbekannten Feind, im Wehrgang liegen.
Sie hatten ihn also doch nicht verraten. Der Colonel war gekommen, um Brenski und seiner Gruppe zu helfen.
Und jetzt desertierte er.
Es war ein Entschluß von einer Sekunde auf die andere gewesen, als Maria Christina an der Brüstung des Wehrgangs neben ihm auftauchte, ein Gewehr in der Hand. Nie zuvor hatte er ein solches Gefühl der Freude und der Zusammengehörigkeit empfunden wie in diesem Augenblick.
»Komm«, sagte er, nahm ihre Hand und zog sie zum Waldrand hin. Der Anstieg wurde unter den hohen Kiefern leichter; der Boden war von ihren Nadeln dicht bedeckt, und sie gingen wie über einen Teppich, der zum Altar führt. Ein weißes Brautgewand. Jetzt würde sie es tragen können.
Maria Christina war danach, vor Freude zu jubeln, aber sie blieb still, bewegte sich so scheu und vorsichtig wie die Tiere des Waldes. Sie stieg hinter Brenski her, der hin und wieder einen Zweig aus dem Weg schlug, aber dies mit einem so schnellen, gezielten Hieb, daß das Holz nicht brach, sondern glatt durchgeschnitten wurde; es war kaum etwas davon zu hören.
Plötzlich wurde der Boden flacher, und Brenski wußte, sie waren jetzt auf dem Kamm des Berges angelangt, der der großen Sierra de Guadarrama vorgelagert war. Nach den Karten, die er noch im Stabsquartier studiert hatte, gab es am Südhang des Berges zwei oder drei kleine Bäche, die jetzt noch nicht versiegt sein konnten, auch wenn diese letzten Tage für April ungewöhnlich heiß gewesen waren.
Sie schritten weiter, und bald hörten sie nichts mehr hinter sich, kein Geschützfeuer mehr, kein Gewehrfeuer. Nur der gelegentliche Ruf eines Käuzchens, das sie neugierig auf ihrem Weg zu begleiten schien, durchbrach die Stille um sie her; selbst ihre Schritte waren unhörbar auf dem dicken Nadelteppich.
Wieder erreichten sie eine Lichtung, wo das Gras hoch stand. Im vollen Licht des Mondes erblickten sie ein Rudel von fünf Rehen, die dort friedlich ästen. Brenski glitt in den Schatten der Bäume zurück, lautlos, Maria Christina hockte sich hin. Sie sah, wie Brenski die Maschinenpistole anlegte. Sie wollte sagen, nein, bitte tu es nicht, aber da peitschte der Schuß schon über die Lichtung. Wie eine Vision, die von der Hand des Schlafes weggewischt wird, waren die Rehe verschwunden. Nur eins stand noch, mit gesenktem Kopf, mit steifen Beinen, die langsam einknickten. Dann fiel es nach vorne, die Beine zuckten hoch, streckten sich, und schließlich lag das Reh still.
»Warum?« flüsterte Maria Christina.
»Das Fleisch wird uns für eine Woche reichen. Und wir brauchen es. Ich weiß nicht, ob wir noch einmal solch eine Chance haben werden.«
Er stellte die MP wieder von Einzel- auf
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