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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Pfad. Er lauschte in den Wald hinein. Manchmal schloß er die Augen eine oder zwei Minuten lang, weil man danach besser sehen kann.
    Nichts rührte sich, nichts war zu sehen.
    Einmal hörte er einen Vogel, dessen Ruf er nicht kannte.
    Einmal kollerten ein paar kleine Steine im Bach abwärts, von der Strömung mitgenommen.
    Sonst war es sehr still, und es war so, als sei tiefer Frieden überall.
    Im Traum war es sehr einfach, wieder vierzehn zu sein, und es stimmte auch nicht, daß man im Traum keine Farben sähe. Es war ein winterlicher Mittag, und der Himmel sehr hoch und von einem reinen Blau, das nichts von Hitze wußte. Sie trug einen Mantel aus weißem, seidigem Lammfell und darunter ein weißes Wollkleid mit einem grünen Gürtel.
    Was sie störte, war, daß es ihr noch nicht erlaubt wurde, Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen; also hätte sie sich gewünscht, Mantel und Kleid wären lang genug gewesen, ihre kindlichen weißen Strümpfe und Schuhe zu verbergen.
    Sie schritt an ihres Vaters Hand durch die engen Gassen Córdobas. Es war ein besonderer Tag, ihr Geburtstag, und sie hatte sich gewünscht, einmal mit ihrem Vater in einem Lokal zu speisen, wie er es so häufig allein oder mit Freunden tat.
    Ideen hat das Kind! Ihre Mutter hatte den Kopf geschüttelt, und die drei Tanten hatten sie nachgeahmt, wie sie alles nachahmten, was ihre verheiratete Schwester tat.
    Aber ihr Vater hatte gelacht und erwidert: ›Wünsche soll man erfüllen, wenn man es kann.‹
    Also nahm er Maria Christina mit in das ›Caballo Rojo‹, und über dem Eingang sprang ein kleines, rotes Pferd an einer goldenen Stange.
    Der Eigentümer eilte herbei, um ihnen die Mäntel abzunehmen, und ein halbes Dutzend Ober in knappsitzenden, roten Jacken verbeugten sich so tief, daß es Maria Christina, schnell amüsiert, erschien, ihre Stirnen würden ihre Knie berühren.
    ›Señor de Valques y Ortega‹, flüsterte es durch den Raum mit den weißgedeckten Tischen. Viele Leute waren schon dort, und die Herren erhoben sich halb und verneigten sich kurz, und die Damen neigten ihren Kopf mit dem gewellten Haar, das im Nacken kurz gehalten war oder straff zurückgekämmt in der traditionellen Frisur mit dem tiefen Nackenknoten.
    Ein Tisch für zwei Personen wie üblich für Señor de Valques y Ortega und seine Dame.
    ›Das ist meine Tochter‹, sagte ihr Vater, und der Patron zwinkerte mit den Augen, ganz kurz nur, und schien eine Sekunde verlegen, aber dann rückte er ihnen die hochlehnigen Stühle zurecht, ließ die Servietten aufflattern, die noch größer und noch schneeweißer als die zu Hause zu sein schienen, und brachte eine Flasche Champagner.
    ›Nur ein halbes Glas für meine Tochter‹, sagte ihr Vater und lächelte ihr zu.
    ›Warum, Pap?‹
    ›Weil sich dir sonst der Kopf dreht, mein Kind.‹
    ›Kommst du häufig mit Mutter hierher? Ich dachte immer …‹
    ›Nein, meine Kleine, nicht mit deiner Mutter. Sie hält nichts von öffentlichen Lokalen.‹
    ›Aber die Damen hier …‹
    ›Sind nicht unbedingt Damen, meine Kleine.‹ Ihr Vater lachte. ›Siehst du, Herren lieben es, manchmal auch ihr Vergnügen außer Hauses zu suchen.‹
    ›Und die Damen, die du sonst mit hierherbringst?‹
    ›Würde ich nicht mit nach Hause bringen‹, sagte er mit der Offenheit, die zu seiner Natur gehörte.
    Und als Maria Christina sich jetzt umsah, bemerkte sie, die meisten Damen waren in dieser oder jener Art ein wenig zu auffällig angezogen, und sie alle waren geschminkt.
    Und da verstand sie und dachte, es sind die Geliebten dieser Herren, deretwegen sie sich duellieren oder ihr Vermögen verspielen, und sie fragte: ›Sind das alles Kameliendamen?‹
    Ihr Vater lachte herzhaft und goß ihr doch noch Champagner ein. ›Du hast also wieder in der Bibliothek gestöbert?‹
    ›Du hast es mir erlaubt.‹
    ›Und natürlich liest du am liebsten die Bücher in der zweiten Reihe?‹
    ›Sie sind doch die interessantesten!‹
    ›Also weißt du schon manches vom Leben, daß es die Bühne gibt und die Kulissen.‹
    ›0 ja, und ich würde brennend gern einmal in ein Theater gehen oder in eine Revue. Vor allem möchte ich einmal nach Paris reisen und einen Cancan sehen.‹
    Ihr Vater lachte noch herzhafter und prustete ein wenig, so daß einige Gäste zu ihnen hersahen.
    ›Ich glaube, du wirst unsere Familie noch sehr in Erstaunen versetzen. – Aber nun wollen wir auswählen, was du speisen wirst.‹
    Sie entschied sich für Erdbeertörtchen als

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