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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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zögerte und war dann wie der Blitz im Wald verschwunden.
    Maria Christina klammerte sich an Brenski .
    »Er war so riesig«, murmelte sie. »Er war so furchterregend. Und doch, ich konnte nicht schießen.«
    »Warum auch? Er ist der alte Herr des Waldes. Er tut uns nichts, wenn wir ihn nicht reizen.«
    »Ich habe auch ein Reh gesehen«, sagte Maria Christina eifrig. »Es hat an der Quelle getrunken.«
    Er nahm ihre rechte Hand, küßte die Innenfläche.
    Sie zog schnell die Hand zurück.
    »Es wird Morgen. Wollen wir einen Tee aufbrühen? Hier finden wir bestimmt Pfefferminze. Jetzt ist die Zeit, wo die meisten Patrouillen in ihre Stellungen zurückkehren. Jetzt können wir ruhig Feuer machen.«
    »Ich hol schon Wasser.«
    Sie sprang auf und lief mit dem Kochgeschirr zur Quelle hin.
    Brenski schaute ihr nach.
    Die erste Nacht hatten sie ohne Gefahr überstanden.
    Doch es würden noch viele Nächte kommen, und die Gefahr würde nicht geringer, sondern größer werden.
    Er schaute nach Westen. Dort mußten sie hin. Durch die Fronten hindurch und dann nach Süden, nach Córdoba, das in Händen der Nacionales war.
    Eine Nacht von vielen.
    Eine Nacht allein, obwohl sie bei ihm war.
    Drüben, über den Wipfeln der Kiefern am Hang, glänzte jetzt der Morgenstern in all seiner Pracht.
    Wie Du es willst, dachte er, und zum erstenmal seit seiner Kindheit dachte er bewußt an Gott.

12.
    Die Sonne strich mit rosigen Fingern über die Dächer der Häuser Córdobas, ließ Tautropfen auf den Blüten in den Patios aufblitzen wie Quecksilber, vergoldete die Mauern der Kathedrale, die einst die schönste Moschee der Mauren in Spanien gewesen war und von ihnen ›Wald der silbernen Säulen‹ genannt wurde.
    Nicht weit von der Kathedrale entfernt befand sich Maria Christinas Elternhaus. Es war seit Jahrhunderten im Besitz der Familie de Valquez y Ortega, und die Generationen, die dort zur Welt gekommen, aufgewachsen und gestorben waren, hatten eine jede eine kleinere oder größere Kostbarkeit dem Familienbesitz hinzugefügt; es gab Seidenteppiche aus China, die einer der Seefahrer der Familie von dort mitgebracht hatte; es gab Porzellan aus den frühen Manufakturen in Preußen; es gab silbernes Besteck mit den Initialen V y O in Fülle, so daß an Festtagen die ganze Familie, vierzig Personen an der Zahl, an dem langen Eßtisch im großen Speisezimmer bewirtet werden konnte.
    Aber seit drei Jahren hatte man kein solches Familienfest gefeiert; es gab keinen Anlaß mehr dazu, seit Juan als Mörder das Haus für immer verlassen hatte, Maria Christina als Schwester Teresa im Kloster Maria de la Sierra lebte und vor allem, seit der Krieg ausgebrochen war.
    Das Haus mit seinen verschlungenen Fluren, seinen kleinen Kammern und großen Salons, der Bibliothek des Hausherrn, die in Córdoba ihresgleichen suchen konnte, war früher nur zu häufig von festlichem Lärm erfüllt; aber nun herrschte eine Stille, die jeder in der Familie als bedrückend empfand, und es war, als gingen sie alle ständig auf Zehenspitzen.
    Sebastian de Valquez y Ortega war es gelungen, seinen zweiten Sohn, Frederico, wegen eines leichten Gehörschadens zu Hause zu behalten, obwohl er darauf brannte, an der Seite der Republikaner zu kämpfen, ohne Rücksicht darauf, daß die Garnison von Córdoba sich gleich zu Anfang des Bürgerkrieges den Truppen Francos angeschlossen hatte und Frederico sich durch die Front hätte schlagen müssen, um zu den Republikanern zu gelangen.
    Sein Vater tat denn auch Fredericos immer wiederkehrende ›Anfälle‹, wie er sie nannte, als spätpubertären Übereifer ab, warnte aber auch vor der Gefährlichkeit solcher Äußerungen des jungen Mannes, sollten sie nach draußen dringen.
    Don Sebastian selbst galt als ein Konservativer, der den Nacionales zugeneigt schien, aber sein Traum war es gewesen, Spanien unter einer konstitutionellen Monarchie, der englischen ähnlich, zu sehen, sich dem übrigen Europa öffnend und den großen Unterschied zwischen arm und reich durch wohlüberlegte Reformen zu mildern, bis er endlich ganz verschwände.
    Sebastian de Valquez y Ortega unterhielt ein kleines, angesehenes Bankhaus in der Stadt; in instinktiver, weiser Voraussicht hatte er stets nur private Kunden angenommen, meist Händler und Handwerker, deren Vermögen er mehrte, denen er auch, wenn er von der Notwendigkeit überzeugt war, Kredite gewährte. Er war nie bereit gewesen, sich auf größere Geschäfte, vor allem jetzt mit den Nacionales,

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