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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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hatte. »Es gibt keine Überlebenden, aber man ist nicht sicher, wie viele weibliche Personen sich dort überhaupt aufhielten, da das Haus ausgebrannt ist.«
    »Was heißt das?«
    »Mit aller Vorsicht – es könnte sein, daß einige der Novizinnen dem Massaker entkommen sind.«
    »Dios! Könnte Maria Christina …«
    »Bitte – keine voreiligen Schlüsse. Ich melde mich wieder.« Und damit hängte ›E1 padre‹ ein.
    Sebastian schloß sein Studierzimmer ab, kniete nieder und betete. Er betete immer nur den einen Vers: »Bitte, lieber Gott, laß sie leben' …«
    Dieses inbrünstige, monotone Gebet durchzuckten Bilder aus Maria Christinas Kindheit; ihre Taufe, als alle schon die Schönheit ihres Haares priesen, das schon dieses tiefe, dunkle Rot besaß und lockig die runde Stirn umrahmte.
    Mutig war sie wie keines seiner anderen Kinder; als sie schwimmen lernen sollte, sprang sie einfach in den Fluß, der die Finca begrenzte, und als er ihr voller Angst nachsprang, sagte sie nur: ›Ich habe Chico beobachtet, er konnte sofort schwimmen, und sieh, ich kann es auch.‹
    Als sie ihr erstes Pony bekam, ließ sie sich von Sebastian in den reichverzierten Sattel schwingen und galoppierte in die Runde, als habe sie es schon viele Male getan, und da war sie erst fünf.
    Dann das heranwachsende, scheuer werdende junge Mädchen in seinem ersten langen, weißen Kleid, wie er sie stolz die Freitreppe hinunterführte zu ihrem ersten Ball.
    Und wie sie mit ihm auf die Jagd ging, auch wenn sie es strikt ablehnte, auf Tiere zu schießen.
    Ihre Augen waren so zartgrau wie das Innere einer Austernschale, und Maria Teresa schalt ihn verschwenderisch, als er Maria Christina zu ihrem achtzehnten Geburtstag eine Perlenkette in der Farbe ihrer Augen schenkte.
    Sie war seine Lieblingstochter gewesen und seinem Herzen am nächsten, auch wenn er versucht hatte, es nicht allzusehr zu zeigen.
    Seit drei Jahren hatte er sie schon an das Kloster verloren, und nun war sie dort gestorben, eines so sinnlosen Todes wie so viele in diesem Krieg. Oder lebte sie doch noch?
    Herr, gib mir die Kraft, es zu ertragen, Herr, gib mir den Willen, dennoch weiterzuleben, Herr, gib mir die Hoffnung, an das Unmögliche zu glauben. Doch was ist unmöglich, Herr, in Deiner Gnade?
    Sebastian erhob sich von den Knien, trat ans Fenster des Zimmers, schaute direkt in die Sonne, die jetzt weißglühend war, wie ein berstender Stern, dessen Bestimmungsort Córdoba war.
    Und mit einem Mal kam eine große Ruhe über Sebastian. Die Sonne war ihrer aller Leben, und mit dem Glauben an die Sonne Echnatons hatte der Glaube der Menschen an Gott begonnen.
    »Dies sei mir Zeichen«, flüsterte er und bekreuzigte sich schnell. Als er sein Arbeitszimmer verließ, schien es, als sei die Last der letzten drei Jahre von ihm abgefallen.
    Er glaubte. Er wollte glauben – denn nur durch die Kraft seines Glaubens konnte er, davon war er jetzt überzeugt, Maria Christina nach Hause holen.

13.
    Drei Tage und drei Nächte lagerten sie im Schutz des Felsüberhangs, verzehrten den Rest vom Wildbret und von Brot und Käse, die Maria Christina bei ihrer Flucht aus dem Kloster mitgenommen hatte. Sie tranken das frische Wasser des Baches, und nachts lauschten sie in die Stille hinein, die unbekannte Gefahren bergen konnte. Am Nachmittag des dritten Tages flogen Flugzeuge tief über sie hinweg. Es waren Maschinen der Legion Condor.
    Brenski spürte, wie sein Mund trocken wurde.
    Was hatten die hier verloren?
    Aber er wußte es genau – sie taten das gleiche, was er auf der anderen Seite tat. Oder getan hatte. Sie kämpften für die Sache Francos und glaubten, damit für eine gute Sache zu kämpfen, denn so hatte man es ihnen in Deutschland erzählt.
    Und was hatten sie ihm, Brenski, erzählt? Daß er für die Freiheit der spanischen Bauern und Arbeiter kämpfte. Daß er gegen den Faschismus kämpfte. Daß er um die internationale Solidarität des Proletariats und der unterdrückten Schichten kämpfte.
    Aber stimmte das noch?
    In Barcelona, so wußte er, hatten schwere Straßenkämpfe zwischen Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten die Sache der Republik beinahe zu einer Farce gemacht. Wo blieb die Solidarität?
    »Wir wollten aufbrechen«, sagte Maria Christina.
    Sie hatten alles gepackt, das wenige, was sie besaßen. Brenski überprüfte noch einmal seine Maschinenpistole, seine Handgranaten. Maria Christina trug am Gürtel seine Pistolentasche mit der Beretta 7.65 mm.
    Sie warfen noch

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