Der Gesang von Liebe und Hass
einzulassen, wie andere Bankhäuser es taten, die horrende Kredite für Waffenkäufe gaben, auf horrenden Profit hoffend, wenn einmal der Krieg für die Nacionales gewonnen war.
Sebastian stand, wie es seine Gewohnheit war, früh auf. Das Frühstück nahm er im Erker seines Arbeitszimmers ein, von wo aus er auf die Kathedrale schauen konnte und auf die Plätze, Gassen und Alleen.
Die Familie selbst hatte keine Sorgen, was ihre Verpflegung betraf, denn mit Beginn des Krieges hatte er die Erträge der Finca so genau einteilen lassen, daß bis hinunter zum jüngsten Knecht oder Guardian der Stiere niemand Hunger litt.
Nun sah er schon um sechs Uhr morgens, wie draußen die Frauen, ihre schwarzen Schals gegen die Morgenkühle um Schultern und Kopf gewunden, zu den Bäckereien strebten, den Fleischereien, wie sie Schlange standen; allesamt hager schienen sie ihm und allesamt alt, obwohl doch gewiß auch junge Frauen darunter waren, denn manche trugen kleine Kinder auf dem Arm, Niños, die in die Wiege gehörten.
Er trank den Tee aus Kräutern, den die drei Tanten, die Schwestern seiner Frau, auf der Finca sammelten, und er nahm zwei dünne Scheiben Weißbrot zu sich, die er mit Olivenöl beträufelte und mit einer Prise Salz würzte.
Während es heller und heller wurde und die Stadt sich mit immer mehr Leben füllte, Eselskarren, Fahrzeuge der Falange-Miliz und des Militärs – private sah man nicht mehr, sie waren längst konfisziert worden –, wartete er auf die Sieben-Uhr-Nachrichten.
Maria Teresa glitt ins Zimmer. Sie war eine große, schlanke Frau von 44, aber immer noch so biegsam wie das 18jährige Mädchen, das er geheiratet hatte.
»Guten Morgen, Sebastian.« Sie lächelte ihn an, kam zu ihm, neigte ihr Gesicht, er küßte sie auf die Wange.
»Der Tee ist noch heiß«, sagte er, »darf ich dir einschenken?«
»Ja, bitte.« Sie setzte sich ihm gegenüber. Er liebte ihre schlanken, weißen Hände, die sie mit Mandelöl pflegte, die über das Haus wachten, seine Kinder erzogen hatten, mit Sanftmut, selten mit Strenge, und deren Spiel in der Nacht ihn heute noch, nach so vielen Jahren ihrer Ehe, erregen konnte wie von keiner anderen Frau. Sie war eine moderne Frau, wenn man so wollte, nur in Angelegenheiten der Familie konnte sie sehr konservativ sein. Ihre Töchter schienen manchmal wie ihre Schwestern, aber im Falle Maria Christinas hatte sie gehandelt, als lebe die Familie noch im 18. Jahrhundert. Allerdings behielt Sebastian diese Meinung immer für sich.
»Ich denke, ich werde heute auf Enten gehen«, sagte er, »und Frederico mitnehmen. Der Junge sitzt viel zu viel über seinen Büchern, er wird sich noch ein Augenleiden zuziehen.«
»Er holt nach, was er an der Universität versäumt. Er sagt, er mag nicht mehr dorthin. Er kann all die Parolen nicht mehr ertragen.«
»Ein Bücherwurm in unserer Familie, da war Juan …« Sebastian verstummte.
»Ja, er war ganz anders«, sagte seine Frau. Sie sah ihn fest an. »Er ist nicht tot, zumindest hoffe ich es, und er ist immer noch unser Sohn, auch wenn er die größte Sünde auf sich geladen hat.«
Sebastian nickte nur, dann griff er neben sich, auf das kleine Tischchen, wo das Radio stand.
Marschlieder waren zuerst zu hören, dann eine kurze Ansprache eines Generals, der seine Soldaten aufforderte, in ihrer Tapferkeit nicht nachzulassen, der stolzen Tradition Spaniens sich würdig zu erweisen …
»Scheußlich«, murmelte Maria Teresa, »warum müssen sie immer nur so große Worte machen und damit die armen Jungens in den Tod hetzen?«
Dann kamen die Meldungen. Sie berichteten natürlich über den Frontenverlauf. Die Stimme hob sich:
»Aber heute haben unsere tapferen Truppen einen großen Sieg errungen. Es gelang ihnen, die Übermacht einer Internationalen Brigade zu zerschlagen, die das Kloster Maria de la Sierra besetzt hielt. Unseren Truppen bot sich allerdings ein tragischer Anblick, als sie das altehrwürdige Kloster stürmten, dessen Ursprung auf Teresa von Avila zurückzuführen ist und in dem sich außer ihren Unterweiserinnen im Glauben nur Novizinnen befanden. Alle christlichen Schwestern waren dem Meuchelmord der Internacionales zum Opfer gefallen. General Franco hat Vergeltungsmaßnahmen zu gegebener Gelegenheit angeordnet, um das vergossene Blut der christlichen Schwestern zu sühnen.«
Mit einer jähen Bewegung ihrer Hand schaltete Maria Teresa das Gerät aus.
Sie und Sebastian sahen sich stumm an, beide blaß
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