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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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quälen?« Seine Stimme senkte sich, wurde kaum mehr vernehmbar. »Ich treibe dem Wahnsinn zu.«
    »Sprich mit deinem Vater, bitte ihn um Rat.«
    »Er hat mit sich genug zu tun. Er weiß ja selbst nicht mehr ein noch aus.«
    »Gut«, sagte Maria Teresa, und nun trank sie rasch und beinahe gierig von ihrem Wein. »Im Grunde deines Herzens willst du fort, nicht wahr?«
    » Ja .«
    »An die Front?«
    » Ja .«
    »An welche?«
    »Das weißt du doch, ich brauche es dir nicht zu buchstabieren.«
    »Und wenn ich dir nun sagte, geh?«
    »Das würdest du tun?«
    »Wenn ich dich damit aus deiner Verzweiflung erlösen kann, ja.«
    »Noch ist nichts entschieden«, sagte Frederico, »ich meine, in diesem Bruderkrieg, aber wenn die für mich falsche Seite gewinnt, was wird dann aus mir? Werde ich zurückkommen können, werde ich euch wiedersehen, wieder in diesem Haus leben dürfen, auf der Finca jagen? Werde ich …«, er legte die Hände vor sein Gesicht, seine mageren Schultern zuckten in dem dünnen, grauweiß gestreiften Hemd mit dem weißen Kragen. »Oder werden sie mich zum Verräter stempeln, die einen oder die anderen Sieger?«
    »Du wirst in dieses Haus zurückkehren«, sagte Maria Teresa. »Alle de Valquez y Ortegas sind immer zurückgekehrt, es sei denn, sie fanden den Tod in fernen Ländern.«
    Frederico zog seine Hände vom Gesicht. Es war aschgrau und von einem dünnen Schweißfilm bedeckt. »Ich fürchte mich vor dem Tod«, sagte er, »aber noch mehr fürchte ich mich davor, ihm nicht ins Angesicht zu sehen. Ich will kein Feigling sein, verstehst du? Ich will kein Feigling bleiben.«
    In der Nacht verließ Frederico das Haus. Er sagte seinen Eltern nicht, auf welcher Seite er für sein Land kämpfen würde, denn sie sollten kein Zeugnis davon ablegen können, wenn seine Seite verlor.
    Die Tanten hingen ihm geweihte Amulette um, die das Bildnis der Teresa von Avila trugen. Sie wisperten, daß sie nach Saragossa wallfahren würden, um für seine gesunde und glückliche Heimkehr zu beten.
    Seine beiden Schwestern weinten leise, und doch blitzte etwas wie Stolz in ihren Augen auf den Bruder, der sich zum Kämpfen entschlossen hatte.
    In den grauenden Morgenstunden lagen Sebastian und Maria Teresa nebeneinander in dem breiten Brett, das sie seit dem Beginn ihrer Ehe vor fast fünfundzwanzig Jahren geteilt hatten. Sie berührten einander nicht, die Worte fehlten ihnen, einander zu erreichen.
    Der blauseidene Baldachin, der mit silbernen Lilien bestickt war, schien Teresa wie ein Leichentuch, das bald auf sie herabsinken würde.
    Mit dem ersten gladiolenfarbenen Licht der Sonne stand sie auf und ging hinunter in die Küche.
    Sie hatte ein einfaches, baumwollnes, schwarzes Kleid angelegt, wie es die Bäuerinnen draußen auf dem Land trugen. Sie krempelte die Ärmel auf, sie schöpfte Mehl aus der Truhe auf den weißgescheuerten Tisch und begann Brot zu backen, was sie sonst der Köchin überließ, und sie betete viele Vaterunser mit stummen Lippen.
    Als die Köchin aus dem Gesindehaus kam, sich den Schlaf noch aus den Augen reibend, brühte Maria Teresa für sie beide Kaffee auf. Sie maß das Kaffeepulver so großzügig ab wie nicht mehr seit vor dem Krieg, und die Köchin schaute sie verwundert und ein bißchen ängstlich an, denn in diesem Haus hatte es noch nie Verschwendung gegeben.
    Als die beiden Tassen mit dem dampfenden Kaffee, süß und stark, vor ihnen auf dem Tisch standen, bat Maria Teresa: »Erzähle mir von deinen Kindern, Annunciata.«
    Die Köchin strich sich mit einer unbewußten Geste über die schweren Brüste, als solle sie wieder ein Kind nähren.
    »Ja, die Kinder«, sagte sie dann und schüttelte den Kopf. »Wie Sie wissen, Doña Maria Teresa, habe ich sechs geboren. Zwei starben bei der Nottaufe, und ich weiß nicht einmal, ob der Himmel sie eingelassen hat. Die vier anderen – nun, Marco wuchs zu einem kräftigen Burschen heran, den es in die Hafenstädte zog, wie schon seinen Vater. Zuerst war er in San Sebastián, und von dort sandte er noch regelmäßig ein Viertel seines Lohnes. Dann ging er nach Barcelona, und der Krieg brach aus. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört. Mein Juanito ist erst vierzehn, aber schon faselt er davon, zu den Soldaten zu gehen, und betet jeden Abend darum, daß der Krieg lange genug dauert, damit sie ihn nehmen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich ihm nicht den Hosenboden deswegen strammziehen muß, denn er betet doch um sein und unser aller Verderben. Was

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