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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Weggefährten auf der Suche nach der Freiheit ihres Spaniens, die jeder einzelne von ihnen anders verstand.
    Ich konnte sie nicht mehr führen, dachte El Corazón, während er in die Sonne über dem staubigen Weg blinzelte, nicht seit Mama Elena tot war. Und Brenski konnte sie auch nicht führen, weil es ihm nur um das Mädchen geht.
    Vielleicht würde nun Ramón sie führen oder Felicio, denn sie hatten noch genug Mulos und noch genug Munition.
    Vielleicht aber waren sie es auch müde geworden, sich aufzulehnen?
    Vielleicht würde jeder für sich eine Ecke des Lebens suchen, die ihm ein bißchen Ruhe, ein bißchen Sicherheit, ein ganz kleines bißchen Freiheit bot?
    »Ich konnte sie nicht mehr führen«, sagte El Corazón laut, und niemand antwortete ihm.

22.
    In Córdoba, im Hause der Familie de Valquez y Ortega, hörte niemand mehr die Nachrichten von der Front, deren Grenzen sich täglich veränderten.
    So gut es ging, behielt Maria Teresa die Zügel ihres Haushaltes in der Hand, kümmerte sich um ihre beiden Töchter, die ihr noch geblieben waren, und ihren Sohn Frederico.
    Vor allem um ihn. Er war stets ein stiller Junge gewesen, niemals aufbrausend, niemals dem Leben leidenschaftlich begegnend wie Juan, den sie als Mörder eines Rivalen um die Gunst eines Mädchens aus der Familie geschickt hatten.
    Gott allein mochte wissen, wohin er gelangt und ob er überhaupt noch am Leben war. Aber Maria Teresa verbot sich, an diesen Sohn zu denken.
    Sie mußte sich um Frederico kümmern. Mit einem abwesenden und abweisenden Blick in den Augen nahm er an den Mahlzeiten teil, sprach man ihn an, so antwortete er kaum, und wenn, dann schien es, als bereite es ihm Anstrengung, überhaupt zu sprechen.
    Er saß stundenlang über seinen Büchern, aber seine Mutter bemerkte bald, daß er die Seiten nicht mehr wendete, daß er auch aufgehört hatte zu lesen.
    Er magerte ab, obwohl die Mahlzeiten im Hause noch immer für alle ausreichend waren.
    Sie sorgte sich so sehr um ihn, daß sie beinahe den Kummer über den sicher scheinenden Tod Maria Christinas vergaß.
    Da Sebastian, ihr Mann, nichts von der Veränderung Fredericos zu bemerken schien, sprach sie mit ihrem Sohn.
    Sie trug eine kleine Karaffe Wein in sein Zimmer, zwei Gläser dazu. Sie stellte das kleine, silberne Tablett vor ihn auf den Schreibtisch und sagte: »Schenk uns beiden ein, Frederico.«
    Er hob den Kopf und sah sie mit seinen abwesenden, ja leeren Augen an.
    »Schenk uns Wein ein«, wiederholte Maria Teresa darauf energisch.
    »Was gibt es zu feiern?« Seine Mundwinkel zogen sich herab. »Den täglichen Tod?«
    »Sprich nicht vom Tod. Ich will mit dir vom Leben sprechen.«
    Sie goß für sie beide Wein ein und reichte ihm dann sein Glas.
    Er trank den Wein, als wäre es Wasser.
    Sie setzte sich so neben ihn, daß sie ihm in die Augen schauen konnte, wenn er es dazu kommen ließ.
    »Du magerst von Tag zu Tag mehr ab. Mir scheint, daß du alle Tage mit Träumen verbringst, obwohl es keine guten Träume sein können. Ich sorge mich um dich.«
    »Du brauchst dich nicht um mich zu sorgen. Ich sitze doch hier. Warm und behaglich. Ich brauche an keine Front. Ich habe ja einen Hörfehler. Mein Gott, Mutter!« Er sprang auf, daß sein Stuhl zurückpolterte. »Ich bin ein Parasit. Jeder anständige Spanier kämpft, kämpft für sein Land, welche Seite er auch gewählt haben mag. Nur ich nicht. Ich sitze auf meinem Hintern und tue so, als geschähe überhaupt nichts, als lebten wir im tiefsten Frieden. Und ich bringe es nicht fertig, mich zu einem eigenen Entschluß durchzuringen, obwohl ich ein Mann bin und es besser wissen müßte. Ich sitze hier und spinne vor mich hin und fühle mich schuldig und unnütz und tue doch nichts, um das zu ändern.«
    »Wir haben schon Juan verloren«, sagte Maria Teresa.
    »Ja – und Maria Christina«, sagte er bitter.
    »Du bist unser einziger Sohn. Und es wird nicht lange dauern, dann wirst du der Familie vorstehen, dann wirst du die Bank leiten, die Finca, dich um die Menschen kümmern, die uns anvertraut sind. Du wirst gebraucht werden, nur eine Weile Geduld mußt du noch üben.«
    »Ich kann nicht geduldig auf einen Frieden warten, der vielleicht niemals kommt und an dem ich kein Teil haben werde, weil ich ihn nicht geschaffen habe. Und dann, ja, was dann, Mutter? Meinst du wirklich, ich könnte dann als wohlhabender Bankier mich meines Lebens erfreuen? Meine Alpträume sind schon schlimm genug. Was glaubst du, wie sie mich dann

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