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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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anders.«
    »Das sind sie nicht«, sagte Maria Teresa. »Da gibt es keinen Unterschied.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte die Köchin. »Ich bin eine ungebildete Frau, ich glaube, was Sie sagen.«
    »Bitte, hilf mir jetzt, das Brot aus dem Ofen zu nehmen«, sagte Maria Teresa.
    Gemeinsam zogen und hoben sie das große runde Brot aus dem heißen Ofen auf den Tisch.
    »Wie gut das riecht«, sagte die Köchin. »Wo haben Sie das nur gelernt?«
    »In meiner Kindheit«, sagte Maria Teresa. »Mein Vater besaß als zweitgeborener Sohn nur eine kleine Finca. Alles, was wir aßen, zogen wir aus dem eigenen Land. Meine Mutter webte Leinen und Tuch für unsere Wäsche und Kleider, und mein Vater verstand sich sogar darauf, für uns Kinder Sandalen für den Sommer anzufertigen. Aber meist liefen wir barfuß herum.«
    »Sie waren nicht reich?«
    »Habe ich dir das nie erzählt? Nein, reich war ich nicht, aber arm auch nicht. Weil meine Eltern immer fröhlich waren und wir Kinder auch. Und meine Mutter lehrte uns Mädchen Brot backen und Gemüse trocknen für den Winter und die Früchte aus unserem Obsthain einwecken. Und mein Vater lehrte uns rechnen und schreiben und lesen, denn die nächste Schule lag mehr als zwanzig Kilometer entfernt, und er hatte keine Zeit, uns mit dem Eselskarren dorthin zu bringen. Reich, wenn du so willst, wurden wir erst, als der Bruder meines Vaters sich das Leben nahm. Er war von jeher ein Sonderling gewesen, immer auf Reisen in ferne, fremde Länder, als sei er vor irgend etwas auf der Flucht. Und eines Tages erreichte uns die Nachricht – es war sogar ein Telegramm, das aus der nächsten Ortschaft per Boten zu uns gebracht wurde –, daß er in einem Londoner Hotel verstorben war. Mein Vater schloß sich zwei Tage lang im Schlafzimmer ein, meine Mutter schlief in den beiden Nächten in unserem Zimmer. Und wir alle wußten, daß unser Vater nicht wollte, daß wir es sahen, wie er um seinen Bruder weinte.«
    »Und danach?« fragte die Köchin.
    »Meine Eltern mußten nach Madrid reisen, um die Erbschaft zu regeln, und als sie zurückkamen, brachten sie mir ein weißes Kleid aus Spitze mit und weiße Sandaletten mit hohen Absätzen. Die ersten hohen Absätze, und ich knickte immer in den Knien ein, weil das Laufen darauf so ungewohnt war; ich war siebzehn Jahre alt, und in dem Jahr lernte ich Don Sebastián auf dem Fest zu Ehren des heiligen Sebastián kennen, das es in unserer Gemeinde gab, und zwei Jahre danach, die ich in einer Klosterschule verbrachte, wurde ich seine Frau. Da konnte ich schon ohne Mühe auf den hohen Absätzen laufen.«
    Maria Teresa lächelte, und dann lachten beide Frauen.
    Es war warm in der Küche, und die Sonne brach sich blitzend in den blanken Fensterscheiben, vor denen die Geranien in ihren Messingbecken blühten.
    »Es war schön, wie Sie mir das erzählt haben«, sagte die Köchin. »Es war so schön, weil Sie endlich wieder einmal gelacht haben.«

23.
    Es war sehr dunkel unter den Bäumen, aber das machte ihnen nichts aus, denn die Dunkelheit war, wenn sie rasteten, ihre Freundin. Es roch süßbitter nach dem Harz der Pinien und würzig nach den Pilzen, die El Corazón noch vor Einbruch der Dunkelheit gesammelt hatte. Die ersten Pilze des Jahres, vielleicht auch unsere letzten, hatte El Corazón geknurrt, während er die Schwämme putzte.
    Nun aßen sie, löschten das Feuer, gleich nachdem sie die Pilze mit Speck gebraten und noch Tee gekocht hatten.
    »Schmeckt es dir, Maria Christina?« fragte El Corazón, und in seinen Worten lag eine Zärtlichkeit, die man dem bärenhaften Mann nicht zugetraut hätte.
    Maria Christina blickte auf ihren Blechteller, spießte den letzten Pilz auf, steckte ihn in den Mund, kaute. Nichts deutete an, daß sie El Corazón überhaupt gehört hatte.
    »El Corazón fragte, ob es dir schmeckt«, sagte Brenski, und seine Stimme klang schroff und viel zu laut für die Stille des Waldes.
    Sie hob ihre Augen, sah ihn an, antwortete auch ihm nicht.
    »Die Hauptsache, es schmeckt ihr«, sagte El Corazón, und er sah Brenski wie zur Vorsicht mahnend an.
    Brenski nahm ihre Teller, ging zu dem Bach hinüber, spülte die Teller und Gabeln ab. Er legte sie unter den Bäumen zum Trocknen hin.
    »Wir haben Glück gehabt«, sagte El Corazón, offenbar verzweifelt darum bemüht, Maria Christina zu erreichen, ihre beklemmende Stummheit zu brechen, aus ihren Augen die Leere zu bannen. »Wir haben zwei Straßensperren der Nacionales passiert, und wir

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