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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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dem Tonkrug eine Margerite. Sie gab die Blume El Corazón, und er beugte seinen schweren, großen Kopf und legte die Lippen auf die Blüte.
    »Wie süß sie duftet«, sagte er, »nach all den Wiesen meiner Kindheit.« Er zog ein kleines Buch aus einer inneren Tasche seiner Jacke, und Maria sah, daß es ein Psalmenheft war. Vorsichtig legte er die Margerite zwischen die vergilbten Seiten.
    »So werde ich mich immer an diese Stunde mit dir erinnern«, sagte er.
    »Du bist ein Schwärmer, El Corazón, mein Bruder«, sagte Maria Christina und lachte leise.
    »Alle Männer sind Schwärmer und Träumer«, sagte er, »und das ist vielleicht das Schlimmste. Frauen können träumen und doch in der Wirklichkeit leben, wir Männer wollen immer unsere Träume in die Tat umsetzen.«
    »Wovon träumt Brenski?«
    »Das mußt du ihn schon selbst fragen.«
    »Ich werde es nie mehr können. Das ist vorbei.«
    »Lächle, Maria Christina, meine kleine Schwester, nichts ist vorbei, solange man lebt.«
    »Du willst mich trösten.«
    »Natürlich will ich es, so wie du mich getröstet hast mit deinem Geschenk. Ich sehe die Blumen wieder, und ich werde nie mehr aufhören, sie zu sehen.«
    Als Brenski wieder in die Cantina trat, verstummte Maria Christina.
    Brenski beugte sich zu El Corazón vor. »Eine Streife ist im Ort unterwegs. Alle Passanten werden angehalten und überprüft. Es sind zwei Soldaten von der Militärpolizei und zwei Zivilisten.«
    »Zivilisten?« Es war, als fiele ein grauer Schatten über El Corazóns Gesicht.
    Brenski nickte. »Es ist das, was wir die ganze Zeit über gefürchtet haben.«
    »Sí«, sagte El Corazón, »und das, was du wahrscheinlich angestiftet hast in dem Kaff von gestern nacht.«
    Brenski ging zu dem Wirt hin, der fröhlich feststellte, daß sie den Cocido ratzekahl verputzt hatten, und sagte leise: »Die Señora fühlt sich nicht wohl nach der langen Reise. Haben Sie ein Zimmer für sie?«
    »Habe ich – aber natürlich, Amigo. Zwei Zimmer für euch drei, ihr beide seid ja verheiratet, nicht wahr, du und die kleine Frau?«
    »Sicher.«
    »Sie soll sich hinlegen. Meine Mutter macht den besten Tee der ganzen Gegend. Sie sammelt die Kräuter selbst im Gebirge.«
    Brenski winkte Maria Christina und El Corazón zu; sie kamen heran, folgten dem Wirt die Stiege hinauf in den ersten Stock. Die beiden Zimmer waren einfach, sauber; man schaute auf den Hinterhof hinaus.
    »Können Sie unser Mulo mit dem Gespann in den Hof bringen?«
    »Ich werde es abschirren und in den Stall bringen.«
    »Sie sind zu gütig.«
    Während El Corazón und Maria Christina in die Zimmer gingen, packte der Wirt Brenski beim Arm.
    »Ich werde euch nicht verraten«, flüsterte er. »Ich habe deinen Genossen wiedererkannt, El Corazón. Wenn meine Cantina auch auf Francos Boden liegt, mein Herz schlägt in der Republik.«
    Brenski nahm die Hand des Wirts und preßte sie. »Danke, danke«, war alles, was er sagen konnte.
    Es verging eine Stunde, ehe die Streife in die Cantina kam; Brenski konnte sie unten hören, ihre scharfen Befehle, die schnarrenden Stimmen.
    Merkwürdig, dachte er, daß Autorität, die ihrer selbst nicht sicher ist, immer so rüde auftreten muß.
    Es wurde unten still, dann erklang Gelächter, Gläserklirren, die Stimme des Wirts hallte laut durch das Haus: »Eviva España! Eviva Franco!« Und unten schrien sie alle mit: »Eviva España, Eviva Franco!«
    Maria Christina lag voll angezogen auf dem Bett, hatte ihr Gesicht in die Kissen gepreßt, und bei jedem Geräusch von unten zuckte sie zusammen. Als Brenski, der neben ihr auf dem Bett saß, seine Hand auf ihren Rücken legte, um sie beruhigend zu streicheln, stieß sie die Hand, wie von Ekel erfüllt, zurück.
    Unten wurde es bald wieder still, und nach einer Weile hörte Brenski die Stufen der hölzernen Treppe knarren. Manuelo, der Wirt, hatte einen äußerst leisen Gang für seine Größe und Schwere; aber daneben war noch ein anderer Tritt, leichtfüßig, eilfertig. Es klopfte leise.
    Brenskis Hand lag auf dem Wurfmesser.
    »Sí!«
    Sie traten ein.
    Ein seltsameres Paar konnte man sich kaum vorstellen – Manuelo groß und fett, Doña Verona schmal und klein, mit flinken, schwarzen Augen unter einem wahren Strahlenkranz von weißem Haar, das von einem schwarzen Kamm gekrönt wurde. Sie trug das traditionelle schwarze Kleid der älteren Spanierin und eine Mantilla, deren Spitzen nur aus Andalusien stammen konnten.
    »Sie sind weg«, sagte Manuelo, und zu

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